Bin das nur ich oder ist es gerade wahnsinnig anstrengend, auf diesem Planeten zu leben? Selbst für Menschen wie mich, die vom geregelten Job bis hin zur Fussmassage Maschine alles haben, die gesund und grundsätzlich positiv eingestellt sind. Es kostet so viel Energie, morgens die Gedanken erst einmal auf das Vogelgezwitscher zu lenken, bevor sich die Verzweiflung über die allgemeine Weltlage, oder zumindest das, was wir davon mitbekommen, einstellt. Kein Wunder ist die Frage, wie wir unsere mentale Gesundheit schützen können, allgegenwärtig. Ich bin eine exzessive Magazinleserin, darin geht es um kaum etwas anderes mehr als um das dringende Bedürfnis einer ganzen Gesellschaft nach Entschleunigung und Frieden. Nach einer Pause, in der man nicht leisten, sich wehren oder zu jedem Gugus eine reflektierte Meinung bilden muss. Es mag Menschen geben, die sich von globalen Tagesaktualitäten nicht beeindrucken lassen oder die Kunst des Balance-Haltens ganz einfach meisterlich beherrschen. Ich persönlich verkehre in einem Umfeld, das sich zuweilen schlecht distanzieren kann und mit einem Gefühl durch die Tage geht, engagiert sein zu müssen. Meine Kolleginnen schreiben Bücher gegen Rassismus, gegen Gewalt an Frauen, für mehr Solidarität - nicht, weil sie unbedingt wollen, sondern weil sie es für dringend notwendig erachten. Das färbt natürlich auf mich ab und ich befinde mich folglich immer irgendwo zwischen Ohm und Verstandsverlust. Die gute Nachricht: Seit Neuestem gelingt es mir, meine Handlungsfähigkeit mit einer selbsterfundenen Resilienzstrategie zu bewahren. Und zwar lasse ich die Zeit aufleben, in der ich unbeschwert war. Ich sags wies ist: Es war in den 90ern. Das Erste, was ich damals nach dem Aufwachen dachte, war: Heute tue ich so, als wäre ich an einer amerikanischen High School, indem ich den Rucksack nur an einer Schulter trage und mit einem Bücherstapel im Arm quatschend durch die Gänge schlendere. Ich träumte mich in eine Beziehung mit Keanu Reeves und tat je nach Lust und Laune so, als wäre ich Schriftstellerin, Balletttänzerin oder eine talentierte Bleistiftzeichnerin. Die simple Vorstellung, ich würde in einer für mich traumhaften Welt leben, machte mich glücklich und spornte mich an, den Weg zu gehen, den ich eben gehen wollte. Deshalb verknote ich meine T-Shirts auch in diesen Tagen wieder vor dem Bauch, schreibe Tagebuch, fotografiere analog, höre sehr viel Guns n´Roses und ja, mit Keanu Reeves bin ich auch wieder zusammen.