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Wie ein Ball unter Wasser

Als ihr Mann Paul kurz vor der Pandemie starb, verlor Monika (Name geändert) den Halt. Im Schlafzimmer war der grosse Mann zusammengebrochen und begrub seine kleine Frau unter sich. Nur mit Mühe konnte sie sich befreien und den Notarzt rufen. Im Krankenhaus starb er wenige Tage später und damit begann für Monika eine schwere Zeit. Jegliche Tagesstruktur kam ihr abhanden, denn sie fühlte sich zu Hause am wohlsten, während er alles Aushäusige erledigt hatte. Einkaufen, Altglas entsorgen, Reparaturen, Behördengänge oder Kontakte pflegen - Paul machte das Freude. Monika sorgte dafür hingebungsvoll fürs Heim und kochte und backte mit Leidenschaft. Kurz nach der Beerdigung begannen die Pandemie-Massnahmen, die Monika isolierten. Um Hilfe zu bitten hatte sie nie gelernt. In ihrer Trauer fand sie kaum Kraft, sich um ihre Wohnung zu kümmern. Das Schlafzimmer, wo Paul zusammengebrochen war, betrat sie nicht mehr. Sie übernachtete auf einem Luftbett im Wohnzimmer. Dann ging der Elektroherd kaputt, doch einen Servicetechniker konnte sie nicht in die verwahrloste Wohnung lassen. Besuch empfing sie sowieso nicht mehr. Als das Telefon streikte, war sie in heller Panik. Ein Smartphone besass sie nicht. In Windeseile räumte sie den Weg zur Telefonanlage frei und bat einen Nachbar um Hilfe. Mit klopfendem Herzen empfing sie ihn und hoffte inständig, dass er das Chaos nicht bemerkte. Es war nur ein Stecker, der sich gelöst hatte. In all der Zeit stand ich in stetigem Chat-Kontakt mit Monika. Nach und nach erzählte sie mir, dass ihr alles über den Kopf wächst. Die Nachbarin nannte sie schon Messie. Ich fühlte mich hilflos. Ich wusste nicht, wie es sich anfühlt, 78 Jahre alt und Witwe zu sein. Den einzigen Rat, den ich ihr gab, war, sich psychologische Hilfe zu suchen. Doch das lehnte sie ab: «Ich bin doch nicht verrückt!» An einem Spruch blieb ich hängen: «Wenn jemand ertrinkt, ist es der falsche Zeitpunkt ihm zu erklären, wie man schwimmt.» Also verlegte ich mich darauf, ihr von meinen Problemen und meiner Unfähigkeit, sie zu lösen, zu erzählen. Damit erreichte ich immerhin, dass sie sich öffnete. Ein Gedankenmodell hat mich dann beeindruckt: Ein Trauma, so wie Monika es erlebt hat, ist wie ein Ball, den man ständig unter Wasser drücken muss. Die Energie, die dieser Ball einem abverlangt, ist für einen Menschen nicht mehr verfügbar - und fehlt. Letzte Woche erzählte sie mir, dass sie zur psychologischen Beratung gegangen sei. Die Sozialpädagogin dort sei sehr nett...

15.05.2025 :: Christina Burghagen (cbs)