Haben Sie sich schon darüber geärgert, dass jemand sagte: «Das ist ja mal wieder typisch für die!»? Diese Bewertung knallt einem buchstäblich einen Stempel auf die Stirn, meistens negativ. Lange habe ich mich gegen so etwas gewehrt. Dann lernte ich ein wertvolles Gedankenmodell kennen: Jede Persönlichkeit ist eine Torte! Jedes Stück repräsentiert einen Wert von uns, zum Beispiel Geduld, Ehrgeiz, Grosszügigkeit - oder es steht für eine Eigenschaft wie frech, grüblerisch oder unterwürfig... Dabei können diese Tortenstücke mal grösser sein oder kleiner, je nachdem, wie wir uns fühlen. Dieses «typisch die» gibt es also gar nicht, denn wir bestehen aus vielen verschiedenen Persönlichkeitsteilen. Fühlen wir uns mies, hat das Traurigkeitsteil oder das Sorgenstückchen das Sagen. Bersten wir vor lauter Freude, wirkt ein fetter Bissen Lebenslust. Sie können gerne mal so eine Torte aufmalen und ihre Abschnitte benennen. Da kommen zuweilen überraschende Teile zum Vorschein. Ich habe bei dieser Übung vor Jahren meine «Verletzte» entdeckt. Doch nebenan liegen «Selbstwert» und «Mut», so dass ich gut damit umgehen kann. In diesem Zusammenhang finde ich
es spannend, wenn sich Menschen verkleiden. So entsteht die Chance, dass wenig beachtete Tortenteile zum Vorschein kommen. Kurz vor Weihnachten war ich in Köln auf der so genannten Stunksitzung, einer grossartigen Gegenbewegung zum traditionellen Kölner Karneval und seiner Prunksitzung. Vom 11.11. bis Aschermittwoch gibt es diese Sitzung fast jeden Abend als bunte Grossveranstaltung voller Musik, Comedy, Theater und Satire mit je 800 Besuchenden. Googeln Sie mal diesen Höhepunkt des rheinischen Humors, wird auch im TV übertragen. Als wer oder was bin ich dahin gegangen? Natürlich als Katze! Katzen und ich haben nämlich ne Menge gemeinsam. Mit Schnurrhaaren und Samtohren fühle ich mich einfach wohl. Im Moment besuche ich die Belle-Epoque-Woche in Kandersteg. Wir bieten hier unsere Schokolade nach historischen Rezepten an. Fasziniert betrachte ich hunderte von Fans dieser Zeit, die erhobenen Hauptes in feinen Roben und prächtig behütet durch den Schnee tippeln. Zurück zur Torte: Die Leidenschaft, mich als feine Dame zu kleiden, gehört nicht zu meinen Persönlichkeitsteilen, allenfalls eine streitbare Sufragette hätte ich im Repertoire. Ich gehöre zum erloschenen Land-adel und gebe mich deshalb als Dienstbotin. Na dann: Viel Spass beim Torte backen! Falls Sie das zu mühsam finden, essen Sie einfach ein Stück.