Wenn Kinder das Nest verlassen

Das Bild des warmen Nestes stammt aus der Tierwelt. Viele Vögel bauen im Frühling ihre Nester und brüten ihre Eier aus. Dann versorgen sie ihre Brut und fliegen dazu unermüdlich aus, um Beute zu fangen. Wenn die jungen Vögel flügge werden, verlassen sie das Nest und gehen – also fliegen – ihre eigenen Wege. Irgendwann kommt auch für unsere Kinder die Zeit, das warme Nest, das ihnen die Eltern bieten, zu verlassen und auf eigenen Beinen zu stehen. Für viele ist das kein leichter Schritt, wobei die Eltern oft mehr Mühe haben als die Kinder.

Das warme Nest verlassen und auf eigenen Beinen stehen – das hat etwas mit dem Fest Christi Himmelfahrt zu tun. Die Jünger ziehen zwar nicht aus – doch Jesus verabschiedet sich von ihnen, kehrt in den Himmel zurück und beauftragt seine
Jünger, all das weiterzuführen, was er ihnen vorgelebt hat. 

Christi Himmelfahrt bedeutet einen Schritt der Kirche in die Selbstständigkeit. Dabei lässt Jesus seine Jünger nicht allein. Seine Himmelfahrt ist mit der Sendung des Heiligen Geistes verbunden, den Jesus «Beistand» nennt. Obwohl Jesus in den Himmel zurückkehrt, bleibt er zugleich bei seinen Jüngern und schenkt ihnen jene Kraft und Weisheit, die sie für ihre Aufgaben benötigen. 

Dazu passt eine Stelle im Alten Testament, wo Mose kurz vor seinem Tod an alles zurückdenkt, was er mit Gott und dem auserwählten Volk erlebt hat.
Er erinnert sich daran, dass Gott mit seinem Volk umging «wie ein Adler, der seine Jungen fliegen lehrt: Der scheucht sie aus dem Nest, begleitet ihren Flug, und wenn sie fallen, ist er da, er breitet seine Schwingen unter ihnen aus und fängt sie auf.» (5. Mose 32, 11)

Dieses schöne Gottesbild dürfen wir unseren Kindern (und ihren Eltern) mitgeben auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Wir dürfen sie Gott anvertrauen, der sie auf jedem Schritt begleiten und behüten möge, damit sie ihren Weg finden.

08.05.2024 :: Urs Corradini