Papst Gregor der Grosse war es, der gegen das Ende des 6. Jahrhunderts nach Christus die vier Kardinaltugenden aus der antiken Philosophie (Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mässigung) und den paulinischen Dreiklang Glaube, Liebe und Hoffnung zu den sieben christlichen Tugenden zusammenschnürte. Der Begriff der Tugend leitet sich ab von «taugen». Insofern darf die Frage zum Einstieg gestellt werden: Taugt der Glaube etwas? Oft wird ja der eigene Glaube als so persönlich erklärt, dass man ihn ganz gern in den Mantel der Verschwiegenheit hüllt. Warum ist das so? Weil uns die Worte fehlen? Oder ists aus purer Bequemlichkeit? Oder ist es die Scham davor, als vermeintlich schwach und verletzlich zu gelten, wenn man zugeben müsste, von einem Vers, einem Spruch, einem Lied berührt worden zu sein? Oder von einem Kerzenlicht, dem Tannenbaum, einem Gebet? Oder vom einsetzenden Konzert der Vogelschar im Morgengrauen nach einer unruhigen Nacht vielleicht? Es gibt in der Tat Momente, die so verborgen sind von der Welt, so privat und intim, dass sie
allein darum geschützt gehören. Je nachdem wie wir buchstabiert wurden und getaktet sind, geben wir diesen ganz speziellen Erfahrungen unterschiedliche Namen. Mit der christlichen Brille auf der Nase sehen wir darin unter Umständen Einbrüche des Göttlichen. Und da macht es dann schon einen Unterschied, ob ich dahinter Gott vermute, der mich mit seiner Güte und Gnade, in Freud und Leid, durch mein Leben begleitet. Oder ob ich Gott als so unberührbar
und willkürlich handelnd erlebe, der seine unbegrenzte Allmacht mal zu meinem Heil, mal zu meinem Verderben spielen lässt. Also: Taugt der Glaube etwas? Ja, wenn er mir hilft, mich tröstet, ermutigt, mir Hoffnung und Kraft schenkt. Solange sich mein Glaube als lebensförderlich und lebensfreundlich erweist, so lange soll mir mein Glaube Tugend sein. Ansonsten kann man getrost darüber schweigen.