Eine schillernde Religion

Das Christentum ist eine schillernde Sache. Ist Christus Gott oder Mensch? Bewirkt Glauben Veränderung oder
Bewahrung? Und zu wem sollen wir eigentlich beten? All das und noch viel mehr kann man mit guten Gründen verschieden sehen. Das liegt auch an einem Anlass, der vor genau 1700 Jahren stattfand: dem Konzil von Nicäa in der heutigen Türkei. Damals wurde lange diskutiert und dann unter dem Vorsitz des Kaisers die neue Richtung des Christentums festgelegt. Und ein Bekenntnis formuliert, in dem am Schluss steht: Wer etwas anderes glaubt, sei verflucht. Das Christentum war auf dem Weg zur römischen Staatsreligion, und dafür musste man es domestizieren. Aus dem galiläischen Wanderprediger, der die Armen selig pries, musste ein mächtiger Pantokrator werden, vor dem Könige (insbesondere fremde) zitterten. Christus wurde zu einem philosophischen Prinzip, dem Logos: erhaben, zeitlos und körperlos. Und aus dem Abendmahl als Erinnerung an ihn wurde ein Opfer, das man ihm darbringt. Aus der Jesusbewegung wurde die Reichskirche. Eine grandiose Entwicklung! Aber die Bibel hat man zum Glück nicht umgeschrieben. Dort lesen wir noch heute die alten Geschichten und Träume von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden. Vom Reich Gottes und dem Weg dorthin, der über Gewaltverzicht, Nächstenliebe und kindliches Vertrauen führt und in einem ziemlichen Spannungsverhältnis zu einer mächtigen Kirche steht. Wir lesen von einem Gott, der Partei ergreift und nicht als oberstes Prinzip emotionslos über allen Abgründen schwebt. Welches dieser Bilder ist denn nun wahr?
Ich kann mir vorstellen, dass uns heute angesichts der Krisen auf der Welt und in der Kirche der Wanderprediger Jesus wieder näher kommt und wir seine Sehnsucht nach Gerechtigkeit im Herzen tragen. Und so finden können, was wir suchten.

26.06.2025 :: Samuel Burger