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Jäte, jäte, jäte…

Unkraut vergeht nie! Aber wissen Sie, dies ist mein absolutes Glück. Wenn ich nämlich im Frühling aus meinem Häuslein krieche und zum ersten Mal den Frühling in der Luft rieche, dann spüre ich, tief in mir zugemüllt, ein kleines Lebenszeichen. 

Es ist wie ein zartes, schwaches Rufen. Wenn ich dann die Stufen runter in den Garten mache, den Blick zaghaft über diesen schweifen lasse, erblasse ich beinahe beim Anblick all dieser Massen an Unkraut: Efeu, Brombeer-Sträucher, Gras bis zum Himmel, Löwenzahn soweit das Auge reicht. Gleich nach der ersten Panik schleicht sich ein wunderbares Kribbeln Namens Tatendrang zu mir durch. Zuerst muss es allerdings durch die Weihnachtspölsterli hindurch und an
allen vertilgten Schoggiosterhasen vorbei. Doch dann, auf einmal, so gegen Ende April, da packt es mich komplett, nimmt Besitz von mir und lässt mich auf die Knie gehen: Ich fange an mit dem «Jäte».  

Mein gratis Fitness-Studio ist endlich wieder geöffnet. Dazu im Hintergrund wunderbarer Vogelgesang und Rasenmäher-Gebrumm. Ich ziehe, reisse, hacke, krabble, knie, hange an den Efeusträngen. All meinen Ärger über ungerechtfertigte Autobussen bis hin zu zwischenmenschlichen Konflikten kann ich beim Roden von Brombeersträuchern hemmungslos vom Untergrund an die Oberfläche lassen. Denn niemand beschwert sich über das unverschämte Fluchen meinerseits, wenn ich mir gerade zum hundertsten Mal einen dieser Dornen durch meine extradicken Gartenhandschuhe mitten in mein Fingerbeeri gebohrt habe. Hemmungslos kann da mal alles Aufgestaute raus an die Luft. 

«Jäte» ist für mich eine Never-Ending-Story mit vielen, kleinen Happy-Ends.  Klar, es wiederholt sich Jahr für Jahr, und doch, dieses Gefühl, wenn ich dann über unsere saubere Steinmauer meinen stolzen Adlerblick schweifen lasse und da einfach nur noch felsiger Fels ist, erfüllt mich dies Jahr für Jahr mit Genugtuung.  Natürlich pflanze ich dann da und dort ein nettes «Hinguckerchen»,
damit ich auch noch dem letzten Wanderer klar gemacht habe: Diese Hausbesitzer haben es im Griff, das Leben und ihren Garten. Deswegen, liebes Unkraut, ich liebe es, dich zu «jäten», in guten wie in schlechten Zeiten, ich werde dich für immer begleiten auf dem Weg zur Grünabfuhr und freue mich auf ein langes, erfülltes Leben mit dir. 

Du und ich, jedes Jahr, selber Ort,  gleich nach den Osterhasen. 

11.05.2023 :: Fabienne Diessel-Krähenbühl