Kürzlich vor der Chäuer Bar kam ich mit einem Mann aus einem Dorf in der Gegend ins Gespräch. Er war auf dem Heimweg von einer Gewerbeausstellung und lenkte das Thema auf
seinen Mazda. Er denke darüber nach, sich damit als neuer James Bond zu bewerben, sagte er. Und fragte dann nach meinem Beruf. Ich arbeite im Kunstmuseum, sagte ich und wäre
eigentlich gerne konkreter geworden. Doch da war der Mann schon wie ein Schachtelteufel rückwärts gesprungen, hatte dabei seine rechte Hand in der Luft geschüttelt, als hätte er gerade einen wahnsinnig heissen Stein angefasst, und «Hui, botz heieiei!» gerufen. Das war bizarr. Aber eben auch nicht das erste Mal, dass ich einer Person gegenüberstand, in dem das Kunstmuseum eine ähnliche Ehrfurcht auslöst wie bei mir das Johnson Space Center der Nasa. Das Kunstgeschäft macht es einem leicht, seine Player als so etwas wie eine geschlossene Gesellschaft zu betrachten. Und die damit verbundenen Institutionen als höhere Sphären, an deren Pforte man erst einmal einen Jargon-Test bestehen muss. Warum und wie stark die Szene im Dunstkreis von Kunstmuseen und Galerien etwas Elitäres, Mehrbesseres, würde man hier vielleicht sagen, ausstrahlt, soll hier aber nicht die Diskussion sein. Mein Punkt ist: Kunst ist keine Raketenwissenschaft, sondern blöd gesagt nichts anderes als ein Produkt der Kreativität und damit eine urmenschliche Form des Ausdrucks und der Auseinandersetzung mit der Welt. Ich persönlich spreche mich inzwischen sogar dagegen aus, dass wir unsere Zeit mit Unterscheidungen zwischen U- und E-Kultur, guter oder schlechter oder gar keiner Kunst
verplempern. Führt es doch genau dazu, dass sich Menschen zuordnen müssen und den «höheren» Bereich meiden, weil sie sich für mangelnde Kenntnisse schämen. Ich würde die Ära, in der sich Menschen blöd vorkommen, weil sie in einem kurvenartig gebogenen Stacheldraht nicht auf Anhieb die Kolonialisierung Afrikas erkennen, am liebsten per sofort als vorbei erklären. Es ist so wichtig, dass alle ihre Berührungsängste mit der Kunst abbauen und sie stattdessen wirken lassen, hinterfragen und vor allem geniessen dürfen. Wie wichtig das ist, schrieb übrigens kürzlich auch die Spiegel-Journalistin Ulrike Knöfel auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse: Ausstellungsbesuche stärken das Selbstvertrauen, den Geist und die Seele. Sogar dann, wenn einem die Werke nicht gefallen! Und erst recht unabhängig davon, ob man im Mazda oder im Aston Martin vorgefahren ist.