Den Männerspagat zu schaffen, sturmfreie Bude, ein unschuldiger Flirt oder ein neuer Film mit Sandra Bullock, sowas hat mich in meiner Jugend zum Jubeln gebracht. Später traten Dinge wie eine eigene Wohnung, rauschende Partys oder ein Mittagessen im Restaurant anstatt aus der Tupperware-Dose an diese Stelle. Und irgendwann wurden gute Jobs, noch mehr Termine, noch mehr Kontakte, noch mehr Verantwortung, noch mehr Multitasking, noch grössere Distanzen in noch weniger Zeit zum Massstab für ein erfülltes Leben. Bravo, begann man sich gegenseitig zu loben, sobald die ordentliche Büez abgeliefert war und die nächste schon wieder anstand. Gäng hü, gäu, von nichts kommt schliesslich nichts, man muss ja leben, was wosch? Dem konnte ich nur zustimmen, war es doch die Normalität, bis tief in den Feierabend hinein im Schuss zu sein und das auch noch gut zu finden. Dass ich zum Jubeln längst zu müde war, war da eher nebensächlich.
Doch dann wurde das Pausieren nach der Pandemie auf einmal salonfähig. Die Menschen witterten gar ein lukratives Geschäftsmodell, boten Hand bei diesem schwierigen Entspannen – in Yogaretreats, Meditationskursen, Achtsamkeitsworkshops und Schweigeseminaren. Auch mich begann der Ausstieg aus der Leistungswelt immer mehr zu reizen. Bloss: Finde mal die Zeit, um dein Entschlackungsvorhaben konsequent umzusetzen!
Auf der Suche nach radikal schnellem Rat, schritt ich in die Strömung der Ilfis hinein, um beim Flussbecken ganz unterzutauchen. Mit angehaltenem Atem, komplett unter Wasser, so stellte ich mir vor, würde ich die Erleuchtung erleben. Bei den eisigen Temperaturen würde mein schockgeschrumpftes Hirn gerade noch Platz für einen einzigen Gedanken bieten, und der würde dann der Ausweg aus dem Hamsterrad sein. Und was soll ich sagen, es hat funktioniert. Das einzige, was mir unter der Wasseroberfläche durch den Kopf zu schiessen vermochte, war: Mehr als das hier brauche ich nicht im Leben. Eiskaltes, glasklares Wasser, und wenn ich auftauche die Sonne, die Bäume, die Steine, das Rauschen und Insektensummen. Da kann ich innehalten, da kann ich vor allem endlich wieder jubeln. Während ich mich auf den Steinen lufttrocknen liess, nahm ich mir vor, mir so einen sinnstiftenden Taucher bis in den Winter hinein und in den Frühling hinaus regelmässig zu gönnen.
Gäng hü, gäu, immer schön im Flow, oder eben im Fluss, von nichts kommt schliesslich nichts, man will ja leben?