«Nebel kann auch schön sein», sagte der Mann, der an diesem frühen Sonntagmorgen im
November von seinem nebligen Wohnort im Aargau ins sonnige Langnau gefahren war. «Ja», sagte ich: «Stimmt schon,
solange er nicht tage- oder wochenlang nicht weggeht.»
Ich erinnere mich an eine Wanderung im Jura. Wir gingen bei feuchtem Wetter von Biel her auf den Chasseral hoch. Je höher wir kamen, desto mehr trafen wir auf Nebelschwaden. Beim Gipfel waberte das Grau dann rund um uns. Durch den Nebel hindurch meinten wir, Bauten zu erkennen, die direkt aus einem Sience-Fiction-Film stammen könnten. Die gelben Krokusse im grünen Gras strahlten uns entgegen. Nebel kann auch schön sein.
In einer Gruppe erzählte je-mand von seiner Erfahrung mit ChatGPT: «Die KI gibt ganz hilfreiche Antworten und nimmt mich ernst.» Eigentlich schön für dich, denke ich. Aber ist es für uns Menschen wirklich gut, wenn wir in schwierigen Situationen immer und sofort eine Hilfestellung erhalten? Wenn wir gar nicht mehr gefordert sind, etwas selbst zu erarbeiten? Uns die Zeit zu nehmen, andere Menschen zu fragen? Schwierige Situationen, Nebel im Leben einmal auszuhalten? Instantlösungen für jede Lebenssituation – ist das wirklich etwas Gutes? Künstlerinnen und Entwickler sprechen vom kreativen Prozess, den sie durchlaufen. Dass in einem kreativen Prozess Leerzeiten entstehen, wo gar nichts geht und man noch nicht weiss, wie es herauskommen kann, ist wichtig für das Resultat. Was durchlitten wird, wird am Ende tiefer. Menschen lernen besonders aus dem, was sie durchlebt, durchgearbeitet, manchmal durchlitten haben. Sie lernen aus dem Austausch, der Korrektur durch andere und im Tappen durch den Nebel des Lebens. Der Psalmbeter geht durch «das dunkle Tal» und weiss, Gott geht mit ihm durch das Tal. Er holt ihn nicht einfach heraus. Schwierig – aber lehrreich und irgendwie auch schön. Nebel kann auch schön sein.