Ich jäte den Vorplatz. Eigentlich sollte das ein Kiesplatz sein, aber in den letzten Jahren ist er immer grüner
geworden: Gräser, Hirse, Löwenzahn, sogar wilder Salbei wachsen da – das geht gar nicht! Am einfachsten wäre es, all
das zu vergiften, aber das ist nicht erlaubt. Mit Abbrennen habe ich es auch schon mal versucht, aber nach kurzer
Zeit ist es wieder gewachsen – stärker als zuvor. Also bleibt mir nichts anderes als: Jäten. Mühsam ist das, der
Rücken schmerzt, ich komme kaum voran. Unglaublich, was da alles wächst und feine Wurzeln in den harten Boden
hineintreibt! Was zu kurze Wurzeln hat, verdorrt in der Hitze, verwest und wird zu Erde, in der später neue
Pflänzchen wurzeln können. Aber nun muss alles weg. Ich bin der Tod. Zwei Nachmittage und zwei Körbe Unkraut später
habe ich gesiegt: Der Platz ist wieder rein. Für etwa drei Wochen. Denn plötzlich wachsen da wieder feine Halme –
man sieht sie kaum. Kleine grüne Keimblätter spriessen zwischen den Steinchen – das Leben ist nicht auszurotten! Ich
war ein gründlicher Tod und habe tausende von Pflänzchen umgebracht – wenig später lebt es wieder. Das Leben ist
stärker als der Tod. Wie ist das bei uns Menschen? – so geht es mir durch den Kopf. Den Gedanken, dass mit meinem
Tod alles zu Ende ist, halte ich fast nicht aus. Und sehne mich danach, dass mein Leben weitergeht – irgendwo in
einer anderen Welt, im Himmel. Dabei geht das Leben auch hier weiter. All das, was ich hinterlasse, wird Teil von
etwas Neuem. Wie bei den Pflänzchen. Auch ich lebe schliesslich von dem, was meine Vorfahren mir zurückgelassen
haben, materiell und geistig.
Ich bin ein Teil von diesem unausrottbaren Leben, ein ganz kleiner zwar nur, aber
das gibt mir Bedeutung. Nicht um mich geht es dabei, es geht um das Leben. So bescheiden will ich sein.