Ferienzeit, Frühstücksbuffet im Hotel. Aus den Augenwinkeln sehe ich zwei Männer, die sich dem Buffet nähern und ihr Frühstück zusammenstellen. Ihr Umgang miteinander wirkt vertraut. Sie scheinen etwa gleich alt zu sein. Ein Paar?
Verstohlen blicke ich ab und zu von meinem Frühstück auf. Ich kann die beiden Männer nur von hinten sehen. Der eine hat schon etwas schütteres Haar. Als die beiden jung waren, war das wohl noch nicht so einfach. Hätten sie als Zwanzigjährige so problemlos zu zweit im Hotel Ferien machen können? Gleichgeschlechtliche Liebe widerspreche der Schöpfungsordnung, höre ich konservative Christen sagen. In der Tat gibt es im Alten und Neuen Testament einige wenige Stellen, in denen homosexuelles Verhalten unter Männern verurteilt wird. Dabei geht es jedoch nicht um dauerhafte Paarbeziehungen zwischen zwei Männern in gegenseitiger Liebe und Sorge; davon ist aus jener Epoche gar nichts überliefert. Vielmehr ist männliche Prostitution gemeint oder Vergewaltigung zwecks Erniedrigung von Feinden. Vor rund vier Jahrzehnten wurde die gleichgeschlechtliche Liebe bei uns auch in der Kirche zu einem Thema, über das heiss und kontrovers diskutiert wurde. Auch ich, damals noch Studentin, gewöhnte mich allmählich daran, dass in meinem Umfeld Männer (und Frauen!) ihre Liebe offen zu zeigen begannen. Mir wurde bewusst, dass es das alles schon immer gegeben hatte, wenn auch im Verborgenen. Was früher die Gemüter erregte, ist in unserer Gesellschaft inzwischen zur Normalität geworden. Nahezu. Warum beobachte ich denn dieses Paar so interessiert? Immerhin schreiben wir inzwischen das Jahr 2025! Jetzt haben beide ihre Frühstücksteller gefüllt. Einer der beiden dreht sich um, ich sehe direkt ins Gesicht - einer Frau. Macht das jetzt einen Unterschied? Ich spule den Film in meinem Kopf wieder zurück und muss innerlich ein wenig über mich selbst lachen.