Coole Arbeit am heissen Sound

Coole Arbeit am heissen Sound
40 Jugendliche aus dem Emmental kreieren mit Gästen aus Botswana einen fetzigen Big-Band-Sound. / Bild: zvg
Langnau: Weit über 2000 Gäste besuchten die Auftritte internationaler Jazzgrössen. Zu den Jazz Nights gehören aber auch Konzerte junger Bands, Workshops und Jam-Sessions.

Ob das englische «Altissimo» das Gleiche sei wie «Flageolett» in deutscher Sprache, das wie französisch «Flascholett» ausgesprochen werde? Ein Teilnehmer am Saxofon-Workshop will mehr wissen über Sinn und Zweck, Technik und Griffe des Oberton-Spiels auf dem wohl beliebtesten Jazz-Blasinstrument heutzutage. So müssen an den Jazz Nights fürs Sa­xofon gleich zwei Werkstätten angeboten werden. An diesem heissen Sommernachmittag hängen 16 Leute in einem Zimmer des Schulhauses am Langnauer Höheweg im wahrsten Sinn des Wortes an den Lippen von Greg Ward. Übers Mundstück mit dem Holzplättchen holt er als einer der weltweit führenden Altsaxofonisten aus dem metallenen Instrument diese unglaublich hohen Töne heraus, die in keiner Musik-Grundschule gelehrt werden. Der pfiffige Musiker aus Chicago bläst und illustriert mit Musikbeispielen seine Erläuterungen.


Weite Anreisen für Workshops

Es glitzert silbern und golden in jeder Hand der Runde. Mal glänzen die Saxofone aller Grössen und Formen, mal tragen sie eine matte Patina, die von fetzigen Bläsersätzen, kreativen Soli oder ekstatischen Zugaben erzählen können. Die Leute hinter all den Instrumenten hören und sehen fasziniert zu, wie Ward mit Atem, Blasen, Lippenspannung, Zungenschlag, Rhythmus und Inspiration dem kleinen Sax grosse Klänge entlockt. «Anregende Konzerte, Austausch mit kompetenten Leuten und das Aus­probieren neuer Möglichkeiten in der wunderbaren Atmosphäre an den Jazz Nights führen mich fast jedes Jahr für diese Woche ins Emmental», erklärt ein Jazzer aus Basel, der seit Jahren mit einer rockigen Band durch die Schweiz tourt. Wie er nehmen rund 100 musizierende Frauen und und Männer aller Generationen an den Workshops teil. Zum Teil reisen sie aus Deutschland oder Frankreich an. Die Jazz Nights haben Ausstrahlung über die Grenzen hinaus. Dies gilt auch bei den Angeboten für den Nachwuchs. In der Aula der Oberstufe Langnau proben die Jugendlichen der Junior Jazz Workshops und bilden hier die 40-köpfige Festival-Bigband. Ein Dutzend von ihnen ist aus Botswana angereist. Sie singen, spielen Gitarre, Perkussion, Trompete, Geige oder natürlich auch Sax. Ein Austauschprojekt der Jazz Nights mit der Botswana Society for Jazz Edu­cation machts möglich. Deren Bigband verstärkt nicht nur die Truppe der hiesigen Jazz-Youngsters, sondern bringt Rhythmen und Sounds aus dem südlichen Afrika ins obere Emmental. Bei den Proben und auch später auf der Bühne fahren einem der satte Sound und die aussergewöhnlichen Arrangements in Bauch und Beine.


Generationenübergreifendes Erlebnis

Das ganze Festival ist geprägt von einer heutzutage ungewöhnlichen Mischung aller Altersgruppen. Generationenübergreifend packen Leute mit an, damit der Rahmen der Jazz Nights funktioniert. Jazz-Bassist Walter Schmocker, der das Festival 1991 initiiert hat, ist als künstlerischer Leiter weiterhin dabei, aber auch eine Menge ebenso engagierter junger Leute wirken mit. Zwischen Kupferschmiede und Zelt auf dem Viehmarktplatz finden Begegnungen statt wie kaum an einer anderen kulturellen Veranstaltung. Jazz-Trompeter Lukas Frei hilft mit bei der Kommunikation und freut sich: «Über 100 Freiwillige machen vom Essen bis zur Musikerbetreuung alles möglich.» Dank toller Gastro-Angebote liege der Eigenfinanzierungs-Grad des Festivals bei über 50 Prozent. Der kontinuierliche Support der Gemeinde und von Sponsoren garantiere die Kontinuität der Jazz Nights. Es ist eben mehr als ein Festival. Nicht nur beim Saxofonspiel sind ungewöhnliche Obertöne möglich.

31.07.2024 :: Karl Johannes Rechsteiner (kjr)