Auf der Schratte grasen jetzt Yaks

Auf der Schratte grasen jetzt Yaks
«Zu Yaks kann man mit der Zeit eine sehr enge Beziehung aufbauen», sagt Philipp Wicki. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Sörenberg: Die Yaks von Philipp Wicki verbringen ihren ersten Sommer auf der Alp. Mehrere Gründe haben den Landwirt dazu bewogen, nach und nach von Schafen auf die Rinder aus dem Himalaya umzustellen: der Wolf, die Vorschriften und die eigene Philosophie.

Der Fussweg, der von Unter Gummen auf die Alp Bärsili führt, ist schmal, teils abschüssig und geht über einige Geröllhalden. Hündin Waiana trabt zielstrebig voraus. Vor ein paar Wochen waren hier bedeutend grössere Tiere unterwegs: Yaks. «Für sie ist ein solcher Weg überhaupt kein Problem», sagt Philipp Wicki mit Anerkennung in der Stimme. «Obwohl verwandt, könnten Kühe unmöglich hier entlanggehen.» Schafe schon. Bis zu 400 Stück hielt Philipp Wicki, der den Betrieb Ruchschwand zwischen Flühli und Sörenberg Anfang 2020 von seinen Eltern übernommen hat. Vater Werner stellte seinerzeit auf Schafhaltung um und Sohn Philipp dachte, dass es dabei bleibt. In Neuseeland lernte der Meisterlandwirt die Schafschur von der Pike auf. Doch dann sei er gezwungen gewesen, alles zu überdenken, erzählt der 28-Jährige. Die Arbeitsbelastung sei zu gross geworden. Da seien die immer strengeren Vorschriften. «Zum Beispiel müssen die Zäune abgebaut werden, wenn die Schafe auf eine andere Weide ziehen, damit sich keine Wildtiere darin verfangen können.» Weil er zweimal weide und das Gelände steil und felsig sei, bedeute das einen Riesenaufwand. «Dazu kommt, dass es immer schwieriger wird, die Schafherden vor dem Wolf zu schützen, da dessen Population zunimmt.» Unter diesen Bedingungen sei die Schafhaltung nicht zukunftsorientiert, kam Wicki zum Schluss.

Yaks erfüllen alle Anforderungen

Der letzte kurze Aufstieg ist geschafft und die Alp Bärsili erreicht. Weder auf der Weide noch am Hang ist ein Tier zu sehen. Philipp Wicki lauscht und meint, im Wald etwas gehört zu haben. Nun geht es steil hinauf, zwischen Felsblöcken, Bäumen und Wurzelstöcken hindurch. Kaum vorstellbar, dass hier die 1,50 Meter grossen und 300 Kilogramm schweren Tiere einen Weg gefunden haben. Da, ein Rufen. Philipp Wicki hat die Yaks gefunden und lockt sie mit altem Brot herbei. Ihre langen Haare sind auffällig, einige tragen auf der Stirn eine hübsche Lockenfrisur. Schön sehen auch die Hörner aus, aber auch respekteinflössend. Alles in allem ein ziemlicher Gegensatz zu Schafen.

Er habe lange überlegt, bis er gewusst habe, wie er die Schafe ersetzen könnte, erzählt Wicki. Berggängig, genügsam, robust sollten die Tiere sein, und mit dem rauen Klima an der Schrattenfluh gut zurechtkommen. Auch in Wickis Philosophie mussten sie passen: Die Tiere fressen, was auf dem Betrieb wächst; im Sommer Gras, im Winter Heu, Emd und Grassilage. Aber kein Kraftfutter. «Es geht in erster Linie darum, die 65 Hektaren Alpweiden zu pflegen», betont Philipp Wicki. Bald einmal stiess er auf das Yak und besichtigte in Andermatt den grössten Betrieb der Schweiz mit dieser Rinderart. «Dort wusste ich sofort: Das ist es!» Im letzten Herbst kaufte er 17 Yaks, inzwischen sind es 22 Tiere. In diesem Herbst kommen nochmal zehn Kühe mit Kälbern dazu. «Dann ist genug», sagt der Landwirt, der momentan den Stall beim Hof Ruchschwand erweitert. Der Talbetrieb umfasst 25 Hektaren, die Alp 65 Hektaren Sömmerungsweide. Der Wald erstreckt sich über 60 Hektaren. Nebst Yaks und Schafen hält Wicki auch Sömmerungsrinder, Esel sowie Ziegen und Hühner. Unterstützung bei der Bewirtschaftung hat er von seiner Partnerin Irene Mettler, seinen Eltern Kirsten und Werner sowie ab und zu von Zivildienstleistenden.

Wehrhaft – auch gegen Wölfe

Das letzte Brot ist verfüttert und die Yaks kehren zur Herde im Wald zurück. Über die steile Weide geht es hinunter zur Alphütte. «Kaum Trittschäden, obwohl es in den letzten Tagen geregnet hat», stellt Philipp Wicki zufrieden fest. Auch das ein Vorteil dieser Tierart. Inzwischen hat die Leitkuh entschieden, dass es Zeit zum Trinken ist. Während die einen gemächlich hinuntertrotten, rennen andere den Hang hinunter. Nicht elegant, aber sicher.

«...18, 19, 20...», zählt Wicki «...ah, und hier sind auch die beiden letzten», stellt er erleichtert fest. Das Yak sei ein ausgesprochenes Herdentier. Wenn eines fehle, sei es entweder am Kalben oder es sei etwas passiert. Ein Steinschlag, zum Beispiel. Und der Wolf? Wicki geht nicht davon aus, dass ein einzelner Wolf eine Herde angreifen würde. Zu gross sei die Verletzungsgefahr, denn die Yaks seien sehr wehrhaft. Von einem Wolfsrudel allerdings könnte schon eine Gefahr ausgehen. Deshalb will er die Yaks nach und nach an seine Herdenschutzhunde, die er selber ausbildet und bei den Schafen einsetzt, gewöhnen. Heute muss Hündin Waiana noch ein Stück ausserhalb der Weide warten.

Der Stier gehört dazu 

Wanderern empfiehlt Wicki dringend, mit Hunden die Herde zu meiden. Insbesondere Stier Haldor könnte sonst nämlich etwas dagegen haben. Er präsentiert sich in seiner ganzen Grösse: Ein wahrlich imposantes 600-Kilo-Kraftpaket. «Mit ihm habe ich abgemacht, dass wir uns nur auf zwei Meter nähern», sagt Wicki und lacht. Noch drei, vier Jahre wird der Muni in der Herde bleiben dürfen, dann braucht es frisches Blut.

Yaks würden viel langsamer wachsen als andere in der Schweiz gehaltene Fleischrinderrassen, erklärt Philipp Wicki. «Deren Kälber werden schon mit fünf Monaten gemetzget bei einem Schlachtgewicht von rund 140 Kilogramm. Ein Yak aber weist mit zweieinhalb Jahren ein Schlachtgewicht von erst 120 Kilo auf.» Es gebe zwar weniger Fleisch, doch die Qualität sei hoch, betont der Landwirt: wenig Fett, viel Eisen, Zink und Omega-3-Fettsäure. Da es keine Absatzkanäle gebe, müsse er die Produkte direkt vermarkten, was aufwändig sei. Er stehe dazu mit verschiedenen Interessenten in Kontakt, etwa mit Wirten. Und er habe für Privatpersonen auch eine Webseite schratte-yak.ch erstellt.

Weniger Aufwand als mit Schafen

Von ihrem Schicksal wissen die beiden jungen Munis, die im Herbst geschlachtet werden, nichts. Die Tiere stehen jetzt beisammen, sie grasen, trinken oder suhlen sich auch mal im Schlamm. Ab und zu ist ein Grunzen zu vernehmen. Wegen dieser Laute wird das Yak auch Grunzochse genannt. Alle zwei Tage schaut Wicki nach ihnen. Ein vertretbarer Aufwand, findet er. Und auch sonst sei deren Haltung verglichen mit den Schafen viel weniger aufwändig. Sie könnten nur mit zwei Litzen (Draht) zäunen, das sei einfacher als mit Flexinetzen. «Schafe muss ich zudem zweimal im Jahr klaunen, scheren und entwurmen. Yaks werden nur einmal als Kalb entwurmt. Die Klauen wetzen sie selber ab.» Ganz auf Schafe verzichten mag Philipp Wicki aber trotzdem nicht. 15 bis 20 Muttertiere sollen es künftig sein, aktuell hält er noch deren 100. Ganz verdrängen werden die Yaks die Schafe also nicht – Wickis Herz aber haben sie erobert.

03.08.2023 :: Silvia Wullschläger (sws)