Verspielte Kunst in der Güetzifabrik

Verspielte Kunst in der Güetzifabrik
Eines der rund 80 ausgestellten Werken: Das Bild «Requiem pour une Feuille Morte» von Jean Tinguely. / Bild: Thomas Gerber
Trubschachen: Anlässlich des 100. Geburtstags von Jean Tinguely hat die Firma Kambly eine Ausstellung organisiert. Bis am 22. Juni gibt es Werke aus Privatsammlungen zu sehen.

Mampfend, mit Rucksäcken am Rücken und krümelnden Güetzi zwischen den Fingern, schlendern die Menschen durch die Tinguely-Ausstellung. Von Mahnfingern und schimpfenden Aufsichtspersonen keine Spur. In einem Kunstmuseum wäre so etwas undenkbar. Dennoch fühlt es sich nicht an, als würde in dieser hochkarätigen Werkschau nachlässig gehandelt, als wäre an diesem Anblick etwas falsch. Im Gegenteil. Dieses Treiben, denkt man, würde Jean Tinguely, dem 1991 verstorbenen Schweizer Künstler, grosse Freude bereiten. Verlangt seine Kunst doch nach Unmittelbarkeit, Spass und Spinnerei. Zum Beispiel die Maschinen-Kunstwerke, von denen in Trubschachen ganz frühe Arbeiten wie «Atlas» aus dem Jahr 1963 oder «Ping-Pong» von 1966/67 zu sehen sind. Alle 30 Minuten laufen sie – ein Spektakel, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Von Verspieltheit zeugen auch die Fotos, grösstenteils aus privaten Alben, auf denen Tinguely mit seinen Partnerinnen oder Mitarbeitenden zu sehen ist. Stets an seiner Seite; Seppi Imhof, mit dem ihn die engste Freundschaft verband und der als Leihgeber massgeblich an der Realisierung der Ausstellung in Trubschachen beteiligt ist. Stets blitzte der Schalk aus Tinguelys Augen, und seine Texte unterstreichen seinen Sinn für Humor. So kann in den Briefcollagen, die er mit Wonne an seine Freunde verschickt hat, schon mal so etwas stehen wie: «Hock´s Du verdammter Scheisskerl von einer Drecksau, Du Hurenpinkel von einem Teigaffen, also Hock´s Du einfach im Paradies im Frieden an der Sonne, unter den Palmen, mit den Fischen. Du blöder Kerl, du Ekelhafter, du Grausiger.» Unterschrieben mit «Ewig, dein Jeannot».


Anekdoten zwischen Exponaten

Nun ist Jean Tinguely aber nicht der einzige, der die Ausstellungsbesuchenden zum Schmunzeln bringt. Maxe Sommer, Kurator, freischaffender Künstler, ehemaliger Assistent von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle sowie langjähriger Freund Jeannots, ergänzt das Sichtbare mit wunderbaren Anekdoten. Wer den gebürtigen Emmentaler zwischen den Werken antrifft - und die Chancen stehen gut - sollte ihn unbedingt um ein Müsterli bitten. Eines sei hier vorweggenommen; Anlässlich des Jubiläumsjahrs hat die Firma Kambly die Künstler-Dose von 1989 neu aufgelegt. Tinguely war der erste Künstler, der für die Kambly Art Collection eine solche Verpackung gestaltete. «Als Oscar Kambly fragte, wie hoch das Honorar für diese Arbeit sei, meinte Tinguely: 144 Guezlidosen», so Maxe Sommer. «144 deshalb, weil das die Notfallnummer sei und man diese im Falle einer Überzuckerung wählen müsse.»


Ein besonderes Geschenk

Der Kurator, der in Trubschachen seine 280. Ausstellung präsentiert, weiss nicht genau, wie viele Exponate bei Kambly Erlebnis zu sehen sind. «Ich habe sie nicht gezählt, aber es sind wohl um die 80.» Wichtiger als die Zahl sind ihm die Geschichten zu den einzelnen Werken - allesamt stammen sie aus Privatsammlungen, einige aus seinem eigenen Besitz. Zum Werk «Requiem pour une Feuille Morte», einem Geschenk Tinguelys, hat Sommer eine besonders emotionale Bindung. Im August 1991 habe ihm eine Zahnärztin 60'000 Franken für das Bild geboten, was damals ein hoher Betrag gewesen sei. «Ich habe das Angebot ausgeschlagen», erzählt er. In derselben Woche habe er sich ein Los gekauft und sei mit einem Gewinn von 20'000 Franken nach Hause gekommen. «Dort erzählte mir meine Frau, Jeannot sei in der Nacht gestorben.» Worauf er seinem Freund und Förderer mit einem Augenzwinkern einen Gruss in den Himmel schickte, den dieser bestimmt richtig verstand: «Bisch e Lumpehung», sagte er ihm.

05.06.2025 :: Miriam Margani-Lenz (mml)