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Ich bin auch schön

Ich sitze in der Küche beim Kaffee. Auf dem Tisch liegt die Post. Zuoberst ein Hochglanzwerbeprospekt für Beautyprodukte. «In vier Schritten zum No Make-Up Look», steht da. Nanu, denke ich, das irritiert mich jetzt doch ein bisschen. Neugierig, wie ich bin, lese ich weiter. Eine Anleitung, wie man sich schminkt, um nachher auszusehen, als hätte man sich gar nicht geschminkt. Raffiniert. Die vier Kosmetik­erzeugnisse, die zu diesem Zweck empfohlen werden, kosten zusammen gegen 120 Franken. No Make-Up Look, denke ich, kann ich auch. Aber schneller. Und gratis. Ha!

Ich blättere weiter. Ein kunterbunt bemaltes Auge blickt mich aus einem Foto heraus an, daneben eine zwölfteilige Farbpalette. «Für den aussergewöhnlichen und atemberaubenden Look», wird hier ein Regenbogen-Augen-Make-Up angepriesen. Einer hatte neulich genauso ein buntes Auge. Der ist auf der Baustelle gegen eine Dachlatte gelaufen. Das war garantiert auch atemberaubend. Zumindest hat es ihm einen Moment lang die Sprache verschlagen, und als er sie wieder gefunden hat, da hat der Sachen gesagt, die ganz bestimmt nie in einem Prospekt für pflegende und dekorative Kosmetik abgedruckt werden. 

Nächste Seite. «Morgenroutine in sieben Schritten», dazu die passenden sieben Produkte. Ich habe auch das mal zusammengerechnet. Kostenpunkt: Fr. 407.95. Das teuerste Stück in dieser Beautybatterie, ein Feuchtigkeitsserum im formschönen Flacon mit Fassungsvermögen von 50 Milliliter, kostet allein nahezu 150 Fränkli. Was ist da drin? Gold? Flüssigdiamanten? Jetzt will ich es genauer wissen. Nach kurzer Recherche finde ich im Internet eine Auflistung der Inhaltsstoffe des Produkts. Hauptbestandteil: Aqua. So weit reicht mein Latein gerade noch. Dann hat es in dem Wässerchen aber noch über dreissig weitere geheimnisvolle Zutaten, deren Namen ich kaum lesen, geschweige denn zuordnen kann. Hier zwei Beispiele: Ammoniumpolyacryloanthimen und Isopropyllaurosylsarcosinat. Schlauer bin ich jetzt nicht. Bei diesen scheinbar äusserst erlesenen Ingredienzen frage ich mich einerseits, wer das im ersten Anlauf fehlerfrei aussprechen kann und andererseits, was ich die letzten vierzig Jahre verpasst habe mit Aqua und Seife.

Ich schliesse den Prospekt und lege ihn auf den Stapel für die Papiersammlung. Mein Kaffee ist inzwischen kalt geworden. Ich trinke ihn trotzdem. Altes Hausmittel.

Fazit: Auch das teure Duftbäumchen macht aus dem Subaru keinen
Bentley.

13.04.2023 :: Peter Heiniger