Auf dem Zimmerberg röhrt der Hirsch – sehr zum Ärger der Landwirte

Auf dem Zimmerberg röhrt der Hirsch – sehr zum Ärger der Landwirte
Es röhrt in den Wäldern des Emmentals: Der Rothirsch breitet sich immer mehr aus. / Bild: Walter Fiechter
Oberburg: Der Hirsch hat sich in der Region stark vermehrt und richtet Schäden an. Nun müsse die Jagd erlaubt werden, fordern Landwirte. Das löse das Problem nicht, meint der Wildhüter.

«Still und heimlich hat sich in wenigen Jahren eine beachtliche Hirschpopulation entwickelt. Insbesondere in der Region Zimmerberg, Lauterbach und Breitenwald scheinen sich die Tiere sehr wohlzufühlen», schreibt Werner Kobel, Gemeinderatspräsident von Oberburg, im Gemeindeblatt «Punkto Oberburg». Der Bestand habe in den letzten Jahren stetig zugenommen, sagt er auf Nachfrage. Seien vor einigen Jahren nur einzelne Rothirsche gesichtet worden, könnten dieses Jahr Gruppen mit bis zu 30 Tieren beobachtet werden. «Während der Brunftzeit in den letzten Wochen hörte man sie röhren.» Derzeit hielten sie sich vor allem auf dem Zimmerberg auf, weiss Kobel, der im Breitenwald einen Landwirtschaftsbetrieb führt. Mit der wachsenden Anzahl an Tieren hätten sich die Schäden an den Kulturen gehäuft, bei ihm vor allem im Mais, aber auch im Getreide und im Wald, berichtet Kobel. Diese könnten beim Kanton angemeldet werden und würden unter bestimmten Bedingungen entschädigt. 


«Es wird immer schlimmer»

Als Katastrophe bezeichnet Beat Krähenbühl die Situation auf dem Zimmerberg, wo sich sein Landwirtschaftsbetrieb befindet. Dieses Jahr habe er erstmals Schäden anmelden müssen. Kaum sei ein Feld angesät, kämen die Hirsche aus dem Wald und liefen darüber. Das gebe enorme Trittschäden. «Im Mais haben sie im Frühling, als die Pflänzchen noch klein waren, Pfade getrampelt, die sie dann den ganzen Sommer über nutzten, um ins Feld zu gehen und zu fressen», erzählt Krähenbühl. Er habe nun damit begonnen, gewisse Felder einzuzäunen, aber überall sei dies nicht möglich. Zudem könnten die Hirsche die Zäune umgehen oder überspringen. Der Landwirt versteht nicht, weshalb der Hirsch in dieser Region nicht bejagt werden darf. Wenn man beim Wildhüter nachfrage, heisse es immer, die Jagd werde jetzt dann erlaubt. «Passiert ist nichts und es wird immer schlimmer», nervt er sich. In den letzten zwei bis vier Jahren seien die Zahlen regelrecht explodiert. Rudel mit 20 bis 30 Tieren seien keine Seltenheit. Im Raum Oberburg–Utzigen–Biembach schätzt der Landwirt den Bestand auf 100 Hirsche. 


Versammlung auf dem Brunftplatz

Simon Quinche ist Wildhüter und zuständig für einen grossen Teil des Wildraums 6. Dieser reicht von Kirchberg bis Kiesen und von Bern bis Zollbrück. Er bestätigt die Beobachtungen der Landwirte aus Oberburg, spricht jedoch nicht von insgesamt 100, sondern von 40 bis 50 Rothirschen. Auf dem Zimmerberg befinde sich ein Brunftplatz, weshalb im Herbst viele Tiere dort zusammenfinden würden. Sie verteilten sich nach der Paarungszeit wieder. Generell sei es schwierig einzuschätzen, wie viele Hirsche sich tatsächlich in einem Gebiet aufhielten. «Sie können enorme Strecken zurücklegen. Von besenderten Tieren wissen wir, dass sie in einer Nacht von Oberburg bis nach Niederbipp wanderten», erklärt Quinche. Dass der Bestand auf dem Zimmerberg wachse, habe auch damit zu tun, dass der Druck aus den benachbarten Regionen zunehme. «Im ganzen Emmental und auch im Oberaargau stellen wir steigende Zahlen fest.»


Nun melden sich die Bauern

Bestätigen kann der Wildhüter auch die vermehrten Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen. Lange Zeit hätten sich die Bauern im Raum Oberburg nicht gemeldet, «doch nun haben die Schäden ein Ausmass angenommen, die nicht mehr als Bagatellen bezeichnet werden können». Ausbezahlt worden seien in diesem Jahr Beträge von insgesamt wenigen Tausend Franken an total fünf Betriebe, so Quinche. Manche Bauern probierten, ihre Kulturen mit Zäunen zu schützen. «Das ist nicht ganz einfach, da ein Hirsch problemlos zwei Meter hoch springt.» Trotzdem könne ein elektrischer Zaun eine gewisse abschreckende Wirkung haben. Wäre denn die Jagd eine Lösung, um das Problem zu entschärfen?


Jagd ist keine Patentlösung 

Derzeit dürfen im Wildraum 6 keine Rothirsche geschossen werden. Simon Quinche weiss, dass mehrere betroffene Bauern darauf drängen, dies zu erlauben. Er habe schon manchen bösen Anruf erhalten. Doch die Jagd könne nicht für ein bestimmtes Gebiet wie den Zimmerberg geöffnet werden, sondern nur für den Wildraum. Verteilt über den ganzen Wildraum Bern-Ost sei der Hirschbestand klein, weshalb die Jagd bisher nicht als nötig erachtet worden sei, erklärt Simon Quinche. Doch das könnte sich bald ändern. Der Wildhüter betont aber: Den Entscheid, Jagd ja oder nein, treffe nicht er, sondern die kantonale Jagdkommission aufgrund einer Empfehlung der Wildraumkommission beziehungsweise des Jagdinspektorats. In diesen Gremien sind nebst den Wildhütern auch die Jägerschaft, Förster, Landwirtinnen sowie Naturschutzorganisationen vertreten. Entschieden wird jeweils im Frühling. 

Die Hoffnung der Landwirte, dass mit der Jagd auf den Hirsch das Problem gelöst ist, teilt Simon Quinche nicht. «Sie lassen sich nicht dauerhaft vertreiben, das sieht man in anderen Wildräumen.» Sei die Jagd vorbei, kehrten sie zurück. «Es bleibt nichts anderes, als mit dem Hirsch zu leben.»

18.11.2021 :: Silvia Wullschläger (sws)