Beim Wasserschloss Aeschau sind Kühe nicht mehr willkommen
Aeschau: Auf dem Gutshof in Aeschau darf keine Gülle mehr ausgetragen werden. Deshalb wird die Familie Hirschi ihren Milchwirtschaftsbetrieb aufgeben. Ebenfalls den kleinen Gastrobetrieb, die Osteria, wird die Familie schliessen.
Seit mehr als 100 Jahren bezieht die Stadt Bern ein grosser Teil ihres benötigten Wassers aus Aeschau. Jahrzehntelang genügte es, wenn der Pächter des Gutshofes unmittelbar um die Wasserfassungen auf den Einsatz von Gülle, Mist und Dünger verzichtete. Mit dem neuen Wassergesetz 1999 wurden die Auflagen strenger. Gülle austragen ist weiträumiger untersagt, und die Wiese darf nicht mehr für den Ackerbau umgepflügt werden. Weshalb durfte der Gutshof noch zehn Jahre nach altem Gesetz wirtschaften? «Die Stadt zog eine Zeit lang in Erwägung, auf das Wasser aus dem Emmental zu verzichten», sagt Bernhard Gyger. Er ist Geschäftsführer des Wasserverbundes Region Bern. Seit 2007 dieser Verbund die Wasserversorgung übernommen habe, sei klar, dass man an dieser Bezugsquelle aus dem Emmental festhalten wolle. Und so gelte es nun, das Gesetz umzusetzen.
Der Schock ist überwunden
Zwar wusste die Pächterfamilie Hirschi, dass das neue Gesetz strengere Auflagen vorsieht. «Dass diese aber für uns so rigorose Auswirkungen haben würden, hatten wir nicht erwartet», sagt Landwirt Daniel Hirschi. Der Schock sei gross gewesen, als ihnen dies letzen Herbst eröffnet worden sei. Für die Hirschis war bald einmal klar: die 20 Kühe, dazu einige Rinder und Kälber, müssen verkauft und die Pacht aufgegeben werden. Es sei für sie zwar ein grosser Einschnitt, gesteht Daniel Hirschi. Hadern mit dem Schicksal mag die Familie indes nicht. «Den Schock haben wir überwunden. Nun wollen wir uns nach vorne orientieren», sagt seine Frau Liliane Hirschi. Was beruflich aus den beiden Betreiberinnen der Osteria (siehe Kasten unten rechts) wird, ist noch nicht klar. Fest steht hingegen die Zukunft des 58-jährigen Daniel Hirschi. Er wird für den Wasserverbund Region Bern arbeiten. Zudem hilft er dem «neuen» Pächter des Gutshofes, seinem Sohn Adrian, aus. Dieser betreibt auf dem Gutshof bereits seit einigen Jahren einen Pferdezucht- und Western Riding-Betrieb. Während die Eltern im Stöckli wohnen bleiben, wird er nun zusammen mit seiner Familie ins Bauernhaus ziehen.
Die künftigen Magerwiesen des 24 Hektaren grossen Heimwesens geben ideales Futter für seine Pferde. «Aus diesem Standpunkt betrachtet, bringt die Aufgabe des Milchwirtschaftsbetriebes sogar Vorteile, und diese wollen wir auch sehen», so der Landwirt Daniel Hirschi.
In fünfter Generation
Der Gutshof Ramsei in Aeschau war lange Zeit im Besitz der Familie Bühler. Der Urgrossvater von Liliane Hirschi-Bühler hat den Hof dann der Stadt Bern verkauft. Ihr Urgrossvater durfte als Pächter auf den Hof bleiben und dazu das ebenfalls von der Stadt erworbene benachbarte Heimwesen bewirtschaften. Seit 1907 bezieht die Stadt mehr als die Hälfte ihres benötigten Wassers aus Aeschau. 26`000 Liter Pro Minute fliessen – ohne zu pumpen – von Aeschau ins 30 Kilometer entfernte Reservoir in Bern. 60 Meter beträgt das Gefälle. Seit drei Jahren gehört die Wasserversorgung dem Wasserverbund Region Bern, welchem neun Gemeinden angeschlossen sind. Ausser von Aeschau fliesst auch Trinkwasser aus Fassungen in Kiesen, Belp und Schwarzenburg nach Bern.
Osteria: Vollgas bis am letzten Tag
Vor vier Jahren eröffneten Mutter und Tochter Liliane und Eveline Hirschi in den gemütlichen Stuben des Bauernhauses die Osteria. Eine Osteria steht in Italien für eine familiär geführte Gaststätte. Sie unterscheidet sich im Wesentlichen vom Restaurant durch das eher kleine, aber hausgemachte Speiseangebot aus vorwiegend regionalen Produkten.
Das Angebot der beiden gastro-erfahrenen Frauen schlug ein. Nicht selten waren die 30 Plätze an Wochenenden ausgebucht. Gäste aus aller Welt, darunter auch Prominente wie Autorennfahrer Michael Schumacher, genossen Ambiente und Gastfreundschaft auf dem Gutshof Ramsei.
Mit der Aufgabe des Milchwirtschaftsbetriebes schliessen die Hirschis auch die Osteria. Ein Grund hierfür seien die fehlenden Parkplätze. Solche nach heutigen Vorschriften des Gewässerschutzes zu erstellen sei sehr teuer und vor dem denkmalgeschützten Bauernhaus kaum möglich, wie Abklärungen ergeben hätten.
Dass nun die neue Pächterfamilie ganz in der Nähe der Pferdestallungen wohnen könnten, sei sicher ein Vorteil – und mit ein Grund für die Schliessung der Osteria, sagt Liliane Hirschi-Bühler.
«Noch sind wir aber gut zwei Monate für unsere Gäste da», wehrt Eveline Hirschi einer allzufrühen Abschiedsstimmung. Bis am letzten Tag wollen die beiden noch alles geben – beispielsweise am 11. Juni. Dann findet bei ihnen ein italienischer Abend statt.
20.05.2010 :: Jakob Hofstetter (jhk)