«Ein guter Ausgleich ist absolut nötig»

«Ein guter Ausgleich ist absolut nötig»
Wandern als gesunder Ausgleich zum Amt als Gemeindepräsidentin von Grosshöchstetten: Christine Hofer / Bild: zvg
Grosshöchstetten: Sie kann auf eine teils turbulente Zeit als Gemeindepolitikerin zurückblicken: Christine Hofer. Grosse Projekte wurden angestossen, kritisiert und realisiert.

Christine Hofer ist unbestritten der Kopf der Gemeinde. Sie nimmt Einladungen wahr, gibt Journalisten Auskunft, beantwortet Einsendungen von Bürgerinnen und Bürgern - und wird heute Abend, 11. Dezember, die letzte Gemeindeversammlung in der Geschichte der Gemeinde leiten. Zur Erinnerung: Die Stimmberechtigten von Grosshöchstetten haben am 30. November an der Urne mit grossem Mehr entschieden, dass über Geschäfte, die bislang an der Gemeindeversammlung behandelt wurden, künftig an der Urne entschieden wird.


Weit mehr als ein 50-Prozent-Pensum

Die Gemeindeversammlung wird für Christine Hofer einer der letzten öffentlichen Auftritte als Gemeindepräsidentin sein. Denn per Ende Jahr gibt die 55-Jährige ihr Amt ab. Das Pensum der Präsidentin beträgt offiziell 50 Prozent, ihr zeitlicher Aufwand sei weit höher. «Ich habe mich nebst dem Amt als Gemeindepräsidentin ‹nur› noch in einigen sozialen Projekten engagiert», meint die Mutter dreier erwachsener Kinder. «Und ich habe bewusst Zeit eingerechnet, um einen guten Ausgleich zum Engagement als Gemeindepräsidentin zu haben. Ich jogge regelmässig, bin mit dem Velo unterwegs oder gehe mit meinem Mann und der Familie skifahren oder wandern. Ein guter Ausgleich ist absolut nötig, um in einem solchen Amt bestehen zu können.» In ihrer Amtszeit musste Hofer als Galionsfigur des Schiffs Grosshöchstetten den einen oder anderen Sturm überstehen. Einschneidend war sicher die Schliessung der Schule Schloss-wil. Im Jahr 2022, nur vier Jahre nach der Fusion von Grosshöchstetten und Schlosswil, kündigte der Gemeinde-rat an, die Schule in Schlosswil zu schliessen - es hagelte Kritik. «Nach den Vorgaben des Kantons war dieser Schritt unumgänglich», berichtet Hofer. «Aber ich kann verstehen, dass die Eltern nicht zufrieden waren.» Würde sie im Nachhinein alles genau gleich machen? «Wir hätten sensibler vorgehen und die Schlosswilerinnen und Schlosswiler besser einbinden müssen», meint sie. Insgesamt sei die Fusion gelungen, wie Befragungen zeigen. Dennoch sei es «harte Arbeit», ein Wir-Gefühl zu entwickeln. «Beispielsweise gibt es in Grosshöchstetten eine Bundesfeier am 31. Juli und in Schlosswil eine 1.-August-Feier - man begeht diesen Anlass also noch nicht am selben Tag», sagt Hofer.


Mehr investieren, höhere Steuern

Ein grosses Thema während ihrer politischen Tätigkeit waren auch die Finanzen, vor allem die Steueranlage. Grosshöchstetten galt lange als «das Muri des Emmentals». Noch 2018 hatte die Gemeinde eine Steueranlage von 1,42 Einheiten. Im Leitbild des Gemeinderats sei sogar gestanden: «Wir sind eine der steuergünstigsten Gemeinden im Amtsbezirk Konolfingen», sagt Hofer. Dann musste der Steuersatz auf 1,52 und 2024 auf 1,62 Einheiten angehoben werden. Gründe für diese Entwicklung sieht Christine Hofer insbesondere deren zwei: «Erstens wurde früher sehr wenig in den Unterhalt der Gemeindeliegenschaften investiert, was nun einen grossen Nachholbedarf zur Folge hat, und zweitens haben wir grosse Steuerzahler, wie etwa die Swiss Bankers, verloren.» Um den Berg an nötigen Investi­tionen bewältigen zu können, war der Gemeinderat unter Hofers Leitung auch zu unpopulären Schritten bereit, nämlich zur Schliessung des Freibades. «Das Führen eines Schwimmbades ist grundsätzlich keine Gemeindeaufgabe.» Mit einer Initiative erwirkte das Volk dann, dass neben dem Hallen- auch das Freibad erhalten, beziehungsweise für mehrere Millionen flott gemacht wird. «Wir hatten damals andere Investitionen höher gewichtet, allen voran die neue Turnhalle. Deren Planung hat sich dadurch verzögert und nun haben wir bei dem Projekt noch das Problem, dass das Totalunternehmen die Vereinbarung nicht erfüllen will.» Rund um ein solches Vorhaben gibt es viele Sachzwänge: Das Projekt musste öffentlich ausgeschrieben und ein sogenannt qualitätssicherndes Verfahren angewendet werden. «Und am Ende klappt es dennoch nicht auf Anhieb, obwohl wir genau dieses Verfahren gewählt haben, um Nachkredite wie bei Sporthallen in anderen Gemeinden zu vermeiden. Das ist eine grosse Enttäuschung», erklärt die Gemeindepräsidentin. «Ich hatte mir oft gewünscht, dass es rascher vorwärts geht.» Hatte sie nie Lust, den Bettel hinzuschmeissen? «Ich wusste immer: Ich will nicht wegen des Drucks zurücktreten. Ich schliesse das sauber ab», hält Hofer fest. Die Kritik sei schon teils heftig gewesen. «Es finden sich scheinbar immer Leute, die gegen etwas sind. Lustigerweise stellen sich diese Leute nie für ein Amt in der Gemeinde zur Verfügung und übernehmen selber keine Verantwortung.»


Künftig beruflich «z´Bärg»

Was sind ihre Pläne für die Zukunft? «Ich möchte in einer SAC-Berghütte arbeiten», sagt sie spontan. Letzten Sommer habe sie dies bereits für kurze Zeit getestet. «Es gefiel mir ausserordentlich gut», meint Hofer, die einst eine Koch-Ausbildung absolvierte und aktuell jeweils montags für eine Studentenschaft kocht. «Gemeinsam mit meinem Mann war ich in den Sommerferien oft von Hütte zu Hütte unterwegs. Das Leben in den eher einfachen Unterkünften gefällt uns sehr. Unsere Vision lautet, dereinst selber eine SAC-Hütte führen zu können.»

Zwölf Jahre im Gemeinderat gewirkt

Christine Hofer, EVP, arbeitete insgesamt während zwölf Jahren im Gemeinderat Grosshöchstetten mit. In der ersten Legislatur betreute sie das Ressort Bildung. Dann kandidierte Hofer als Nachfolgerin für Hanspeter Heierli für das Präsidium und wurde still gewählt. Ebenfalls keine Konkurrenz erhielt die heute 55-Jährige bei der Wiederwahl im Herbst 2021. Anfang Jahr hat sie erklärt, dass sie per Ende 2025 von ihrem Amt zurücktreten wird. Ihr Nachfolger heisst Raymond Beutler, der ebenso der EVP angehört.

11.12.2025 :: Bruno Zürcher (zue)