Ab ins kalte Wasser!

Ab ins kalte Wasser!
Ruhig atmen hilft. Die Ilfis ist acht Grad warm, als die Teilnehmenden des Kaltbadekurses ins Wasser gehen. / Bild: Regine Gerber (reg)
Langnau: Immer mehr Menschen entdecken das Kaltbaden für sich. Auch in Langnau wagten sich Teilnehmende eines Kurses der Volkshochschule Oberemmental in die kalte Ilfis - für Gesundheit, innere Ruhe und ein kleines Abenteuer.

Am Ufer der Ilfis haben sich an diesem Samstagmorgen im November rund ein Dutzend Personen versammelt. Wir tragen Badekleidung, Mützen und Handschuhe, einige sind noch in Bademäntel gehüllt. Alle haben ein Ziel: Rein ins kalte Wasser, dessen Temperatur heute bei rund acht Grad liegt. Der Himmel ist grau und verhangen, wenigstens ist die Luft für die Jahreszeit angenehm mild. «Ruhig atmen!», erinnert uns Kursleiter Martin Rohner, als wir uns langsam, Schritt für Schritt, immer tiefer ins Wasser wagen. Schon beim Eintauchen der Füsse meldet sich der Instinkt: Raus hier! Das kalte Wasser sticht wie kleine Nadeln in die Haut. Doch nach ein paar tiefen Atemzügen weicht der Schock, die Anspannung löst sich. Im Körper breitet sich eine Ruhe aus. Den Kopf und die Hände halten wir über die Oberfläche, denn dort - das hat uns der Kursleiter eingeschärft - kühlt der Körper am schnellsten aus.


Vom Kursraum an die Ilfis

Der Kaltbadekurs, welchen der Zürcher Mental- und Kältecoach Martin Rohner erstmals an der Volkshochschule Oberemmental anbietet, richtet sich an Einsteiger. Die Motive der Teilnehmenden sind vielfältig, wie sich in der Vorstellungsrunde zeigt. Einige hoffen auf Linderung bei gesundheitlichen Problemen wie Arthrose oder chronischen Rückenschmerzen. Andere sind einfach neugierig und möchten sich auf ein Abenteuer einlassen. Bevor wir an die Ilfis gehen, verbringen wir zwei Stunden im Kursraum. Dort erklärt Rohner, der seit drei Jahren solche Kurse leitet, wie der Körper auf Kälte reagiert und wie man sich darauf vorbereitet. Zum Beispiel mit Atemübungen, positiven Assoziationen und Visualisierung des kalten Wassers. «Das Wichtigste ist auf den Körper zu hören und die persönlichen Grenzen zu

respektieren.» Denn für alle ist Kaltbaden nicht geeignet (siehe Kasten). Es gibt auch keinen Gruppendruck.«Niemand muss heute ins Wasser», stellt der Coach klar. Doch wir alle tun es. Und nach vier Mi­nuten steigen wir langsam wieder heraus. Meine Füsse schmerzen etwas von der Kälte, die Haut ist leicht gerötet. Doch der Rest des Körpers fühlt sich überraschend gut an. Eine Leichtigkeit stellt sich ein, der Kreislauf ist in Schwung, ich bin hellwach.


Ein Trend mit Tradition

Kalt- und Winterbaden erleben seit einigen Jahren einen Aufschwung. Immer mehr Menschen wagen sich in Gewässer mit Temperaturen zwischen fünf und zwölf Grad. Zeigt das Thermometer weniger als fünf Grad, spricht man von Eisbaden. Auch in der Schweiz wächst das Interesse. Dies zeigt sich an Winterschwimmgruppen oder auch bei öffentlichen Anlässen, in unserem Kanton etwa dem «Zibeleschwümme» in Bern oder dem «Chlouse-Schwümme» in Thun. Neu ist der Trend jedoch nicht. Wie auf der Website des Vereins Kältenetzwerk, dem auch Martin Rohner angehört, zu lesen ist, reicht die Tradition weit zurück. Schon Johann Wolfgang von Goethe soll aus der Ilm, einem Nebenfluss der Saale in Thüringen, Eis gehackt haben, um im kalten Wasser baden zu gehen. Und der Priester und Naturheilkundler Sebastian Kneipp hat im 19. Jahrhundert eine Therapie entwickelt, bei der kaltes Wasser gezielt zur Stärkung von Körper und Geist eingesetzt wird. Heute gilt der Niederländer Wim Hof, bekannt als «The Iceman», als Symbolfigur des Kältetrainings. Er hält zahlreiche Weltrekorde im Ertragen extremer Kälte. Doch ein Teil seiner Methode sei gefährlich und einige Aussagen zur Wirkung von Kälte seien umstritten, heisst es auf der Website des Kältenetzwerkes.


Was das kalte Wasser bewirkt

Aber warum schwören Menschen auf kaltes Wasser? «Das Kaltbaden bietet viele gesundheitliche Vorteile», erklärt Martin Rohner. Es stärke das Immunsystem: Das kalte Wasser rege die Bildung von Immunzellen an und erhöhe so die Abwehrkräfte. Gleichzeitig verbessere sich die Durchblutung und würden die Gefässe trainiert, was der Herz-Kreislauf-Gesundheit zugutekomme. Die Kälte könne auch helfen, chronische Entzündungen und Schmerzen zu lindern. «Auch die mentale Gesundheit profitiert», betont Rohner. Die Kälte stimuliere die Produktion von Endorphinen und Serotonin. «Das steigert das Wohlbefinden und hebt die Stimmung.» Viele Menschen würden zudem von besserem Schlaf und einer entspannenden Wirkung berichten. «Auch für Sportler ist Kaltbaden sinnvoll», so Rohner. Die bessere Durchblutung und schnellere Muskelregeneration würden die Leistungsfähigkeit unterstützen.


Aufwärmen, aber nicht zu schnell

Am Ufer der Ilfis tupfen wir uns nach dem Bad mit Handtüchern trocken, ziehen uns etwas über und beginnen mit Aufwärmübungen: Wir wippen von den Zehen auf die Fersen oder machen Kniebeugen. Die Wärme kehrt langsam zurück. Wichtig sei, den Körper nicht zu schnell aufzuwärmen, haben wir im Vorfeld gelernt. Eine warme Dusche oder ein heisser Tee direkt nach dem Bad wären kontraproduktiv. Rundherum hört man Gespräche und Lachen. Für viele der Teilnehmenden ist klar, dass dies nicht das letzte Kaltbad war. Das Erlebnis macht Lust auf mehr. Ohne Frage wird es aber auch beim nächsten Mal viel Überwindung brauchen.


Tipps zum Einstieg

  • Langsam anfangen: Erst mit kalten Duschen an die Kälte gewöhnen.
  • Auf die Gesundheit achten: Bei Herz-Kreislauf-Probleme, Bluthochdruck oder anderen gesundheitlichen Problemen vorher mit dem Arzt sprechen.
  • Nie allein: Immer in Begleitung baden.
  • Atmung kontrollieren: Beim Baden ruhig und tief atmen. 
  • Kopf und Hände draussen lassen: Sie kühlen am schnellsten aus.
  • Kurz drin bleiben: Zwei bis vier Minuten reichen am Anfang aus. 
  • Sanft aufwärmen: Nach dem Bad bewegen, nicht sofort heiss duschen.
  • Anleitung hilft: Im März ist ein weiterer Kaltbadekurs an der Volkshochschule Oberemmental vorgesehen.


Quellen: Martin Rohner, Kältenetzwerk

13.11.2025 :: Regine Gerber (reg)