Hansueli Beyeler (rechts) legt viel Wert auf die Beratung der Kunden. Ende Jahr gibt er die Markttätigkeit auf. / Bild: Rebekka Schüpbach (srz)
Langnau: Geschätzt ein bis zwei Drittel Umsatz-Rückgang in den letzten Jahren machten es den Marktfahrenden schwer. Auch Hansueli Beyeler hört nach einem halben Jahrhundert auf.
«Nach vielen Jahren geben wir unsere Tätigkeit als Marktfahrer auf», erzählt Hansueli Beyeler. Sein Alter und der sinkende Umsatz auf den Märkten hätten den 68-Jährigen dazu bewogen. Offiziell ist der Rücktritt Ende Jahr geplant. Ob er noch am Weihnachtsmarkt Langnau mitmacht, ist unklar. «Nur bei gutem Wetter», meint er.
52 Jahre auf dem Märit
Hansueli Beyeler wurde das Schuhmacherhandwerk in die Wiege gelegt. Sein Grossvater Ernst, ein gelernter Schuhmacher, kam 1928 aus Interlaken nach Schangnau und fing an, Schuhe zu reparieren. 1932 baute er dort ein Haus und begann zusätzlich Schuhe zu verkaufen - auch auf Märkten. Später übernahm Hansueli Beyelers Vater und im Alter von 16 Jahren begann auch er im elterlichen Geschäft zu arbeiten. «Ich hätte eigentlich eine Lehrstelle gehabt, aber da verunfallte mein Grossvater und verletzte sich schwer», erzählt er. Deshalb konnte der Vater nicht auf die Arbeitskraft des Sohnes verzichten. Also lernte Hansueli das Handwerk bei ihm. Zusätzlich führte er ab Anfang der 1970er bis 1991 als Nebenerwerb das väterliche Geschäft für Holzhandel und -transporte. Nach dem unerwarteten Tod des Vaters 1986 übernahm er mit 29 Jahren die Leitung beider Geschäftszweige. Sein um zehn Jahre jüngerer Bruder Ernst unterstützt ihn seither und ist bis heute mit ihm auf den Märkten unterwegs. In den besten Zeiten verkauften die beiden ihre Schuhe an knapp 100 Märkten pro Jahr in den Kantonen Bern, Solothurn und Freiburg. «Meine Frau Ruth kümmerte sich in dieser Zeit daheim alleine um den Laden», erzählt Beyeler. Er habe den beiden viel zu verdanken.
Anfang dieses Jahres übergab er die Geschäftsleitung an seinen Sohn Roger, der nun die Schuhe Beyeler GmbH weiterführt. «Der Laden in Schangnau läuft nach wie vor gut und der Onlinehandel ist auf dem Vormarsch», betont Beyeler.
Umsatzrückgang allgemein spürbar
Auf den Märkten aber habe sich das Einkaufsverhalten verändert. «Früher kamen die Menschen mit langen Einkaufslisten und deckten sich mit dem Notwendigen ein», erinnert er sich. Heute würden viele nur über den Markt flanieren, ohne viel zu kaufen. Ähnlich klang es bei den meisten Marktfahrenden am letzten Langnau Märit: Von einem bis zwei Drittel Umsatz-Rückgang in den letzten Jahren war die Rede. Dafür haben sie verschiedene Erklärungen: Einerseits der Onlinehandel, «alles ist jederzeit verfügbar», andererseits die Weltlage, die abnehmende Kaufkraft der Kundschaft; und immer noch scheint Corona nachzuhallen. Besonders klaghaft scheinen jene, die seit diesem Jahr von der Gemeinde einen anderen Platz für ihren Marktstand zugeteilt bekommen haben. «Ich überlege mir ernsthaft, nicht mehr nach Langnau zu kommen», erzählt eine Verkäuferin. Sie könne es sich schlicht nicht leisten, zu warten, bis ihre Kunden sie am neuen Platz wieder fänden. Eine andere ist froh, dass ihr Stand mit selbst kreiertem Schmuck nur ein Hobby ist und sie nicht davon leben muss. Besser läuft es offenbar bei Essensständen und Süssigkeiten. Allerdings, erzählt ein Lebensmittel-Verkäufer, habe seine Firma die Preise kürzlich erhöhen müssen, da sonst die Rechnung nicht mehr aufgehe. Von aussen betrachtet ist Beyelers Stand heute gut besucht: Kundinnen begutachten die Ware, ein Landwirt braucht Arbeitsstiefel. «Die gehen weniger schnell kaputt als diejenigen aus dem Grosshandel», begründet er. Tatsächlich lege er viel Wert auf Qualität und Beratung, sagt Beyeler, «es gibt auch Leute, die hier einen Augenschein nehmen und später ins Schangnau kommen, wegen der grösseren Auswahl. An den Markt nehmen wir etwa 1600 Paar Schuhe mit, im Laden haben wir über 20'000 Paar». Obwohl Hansueli Beyeler nun seine Füsse hochlegen könnte, wird er das nicht tun. «Ich arbeite nach wie vor im Geschäft mit. Dieses, die Schuhmacherei und der Onlinehandel gehen ja weiter», betont er. «Ausserdem verbringe ich auch gerne Zeit mit meiner Enkelin.»