Neuer Verein rückt psychische Gesundheit ins Blickfeld

Neuer Verein rückt psychische Gesundheit ins Blickfeld
Die Co-Präsidentinnen Manuela Grossmann (2.v.l.) und Sarina Wälti (ganz rechts) mit drei weiteren Gründungsmitgliedern. / Bild: Regine Gerber (reg)
Langnau: Über psychische Gesundheit wird noch zu selten offen gesprochen. Ein neu gegründeter Verein will das ändern - mit Vernetzung und konkreten Hilfsangeboten.

Stress, Einsamkeit und psychische Erkrankungen gehören für viele Menschen zum Alltag, auch im Emmental. Um das Thema psychische Gesundheit aus der Tabuzone zu holen und Hilfesuchenden den Zugang zu Unterstützung zu erleichtern, wurde in Langnau letzten Freitag der Verein «Em-Mental - Netzwerk psychische Gesundheit» gegründet. «Gerade in ländlichen Gebieten wird noch zu wenig über psychische Gesundheit gesprochen», erklärt Manuela Grossmann, Co-Präsidentin des neuen Vereins und ehemalige Pfarrerin der reformierten Kirche Langnau. Zwar gebe es zahlreiche Fachstellen und Hilfsangebote, doch diese seien oft zu wenig bekannt. Der Verein will die bestehenden Angebote besser sichtbar machen sowie Fachpersonen, Betroffene und Angehörige miteinander vernetzen. Eine Besonderheit liegt darin, dass sich nicht nur Fachleute engagieren, sondern auch Menschen mit eigener Erfahrung mit psychischen Erkrankungen, sogenannte Peers. Eine von ihnen ist Sarina Wälti, die mit Manuela Grossmann den Verein co-präsidiert. «Peers bringen einen anderen Blick ein und können die fachliche Seite ergänzen», ist Sarina Wälti überzeugt.


«Walk-In»: Vorbeikommen und reden

«Wir haben viele Ideen, was wir anstossen möchten», betonen die beiden Co-Präsidentinnen. Neben Kursangeboten und einer digitalen Plattform, auf der Hilfsangebote gebündelt werden, stehen zum Start zwei konkrete Projekte im Fokus. 

Ab dem 6. Januar findet im Kirchgemeindehaus Langnau jeden zwei-ten Dienstagabend ein sogenannter «Walk-In» statt. Es ist ein Angebot für Menschen, die kurzfristig Beratung oder Unterstützung suchen. Eine Anmeldung ist nicht nötig. «Man kann einfach spontan vorbeikommen», erklärt Manuela Grossmann. «Vielleicht möchte jemand erzählen, dass er seit Tagen nicht schlafen kann und wis-sen, ob das normal ist», nennt sie ein Beispiel. «Oder man sucht Informa­tionen für einen Angehörigen oder braucht jemanden zum Zuhören.» Vor Ort stehen jeweils drei Ansprechpersonen zur Verfügung: zwei Fachpersonen aus dem medizinischen oder sozialen Bereich sowie eine Peer-Person. «Wir wollen die Hemmschwelle senken, sich Hilfe zu holen», sagt Sarina Wälti. «Denn der erste Schritt ist oft der schwierigste.» Bereits gestartet ist das zweite Projekt mit dem Namen «Gemeinsam statt einsam». Jeweils am letzten Freitag im Monat findet im «Käpt'n Holger» ein offenes Treffen statt. Einge­laden sind alle, die sich mehr soziale Kontakte wünschen oder einfach einen Abend in Gesellschaft verbringen möchten. Das Treffen sei bewusst formlos gestaltet und habe keinen therapeutischen Charakter, erklärt Manuela Grossmann.


Ein Dach für das Engagement

Die beiden konkreten Projekte sind Ergebnisse eines bereits länger andauernden Engagements. Schon vor der Vereinsgründung setzte sich das Netzwerk für das Thema ein. Mit der Unterstützung der reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn wurden Erste-Hilfe-Kurse für psychische Gesundheit angeboten; vor einem Jahr gab es zudem einen ersten Vernetzungsanlass. «Der Verein schafft nun noch mehr Sichtbarkeit und gibt dem Engagement ein Dach», erklärt Anita Schürch von der Berner Fachhochschule, die das Projekt wissenschaftlich begleitet. Der Verein, dem am Freitag 27 Einzelpersonen sowie eine Organisation beigetreten sind, plant, eine Koordinationsstelle einzurichten, um die Arbeit noch besser bündeln zu können.

30.10.2025 :: Regine Gerber (reg)