Geflüchtete gaben Einblick in das Leben in der Unterkunft

Geflüchtete gaben Einblick in das Leben in der Unterkunft
Die von den Geflüchteten gekochten und angepriesenen Speisen schmeckten den Besucherinnen und Besuchern. / Bild: zvg
Grosshöchstetten: In der Kollektivunterkunft im einstigen Spital leben aktuell 99 Personen aus verschiedensten Nationen. Für die Menschen werden Beschäftigungen gesucht.

Im Januar sind die ersten geflüchteten Menschen in die Kollektivunterkunft im Neuhuspark in Grosshöchstetten eingezogen. Derzeit bewohnen 99 Frauen, Männer und Kinder die 26 mit Etagenbetten ausgerüsteten Zimmer. Sie stammen aus Afghanistan, der Türkei, aus Eritrea, Somalia, dem Irak, Iran und weiteren Ländern. Vorhanden sind in der Unterkunft auch Aufenthaltsräume sowie eine grosse Küche mit 20 Kochherden, wo die Bewohnenden ihr Essen kochen. Sie werden dem Kanton aus Bundesasylzentren zugewiesen. Gemäss der Gemeindepräsidentin Christine Hofer werden in Grosshöchstetten keine unbegleiteten Minderjährigen untergebracht. «Das war von Anfang an klar», sagt sie und lobt, wie geordnet und problemlos der Betrieb in der Kollektivunterkunft laufe. «Zu Beginn waren in der Bevölkerung Bedenken vorhanden. Diese haben sich aber nicht bewahrheitet. Wir schauen hin und pflegen einen guten Kontakt mit der Standortleitung», sagt Hofer. Negative Rückmeldungen seien bis jetzt keine eingegangen.


Tag der offenen Tür

Dass in Grosshöchstetten wenig Berührungsängste vorhanden sind, zeigte die grosse Besuchermenge am Tag der offenen Tür vom vergangenen Samstag. Rund ein halbes Dutzend Führungen stiessen auf reges Interesse - die von Geflüchteten gekochten und offerierten Speisen ebenfalls, Reste blieben jedenfalls kaum übrig. Einheimische und Bewohner kamen miteinander ins Gespräch. Die Darbietung des Gitarristen Mehdi Al-Taschli sorgte für begeisterten Applaus, während eine Kinderschar fröhlich durch die Korridore sprang.


Geregelte Tagesstruktur

«Wir bieten den Geflüchteten eine geregelte Tagesstruktur», sagt Viktoriia Hofer, Standortleiterin des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) Kanton Bern, der zuständigen Organisation für die Kollektivunterkunft. Nebst den Hausarbeiten wie putzen und kochen besuchen einige Geflüchtete Beratungen, verschiedene Kurse oder machen eine Lehre oder Vorlehre.
Ein Schwerpunkt besteht in Sprachkursen, die je nach Aufenthaltsstatus mehr oder weniger intensiv ausfallen. Da ist beispielsweise die 19-jährige syrische Kurdin Naya Temer. Gemeinsam mit ihrer älteren Schwester hat sie einen Asylantrag gestellt und wartet jetzt im Status N auf Bescheid. Sie besucht dreimal pro Woche je zwei Stunden einen Sprachkurs. «Das ist nicht sehr viel. Deshalb unterhalte ich mich so oft als möglich mit Deutschsprechenden und lerne regelmässig für mich», sagt Naya Temer. Sie besucht mit Begeisterung Fussballtrainings. Vielleicht möchte sie einmal Polizistin werden. Grosse Pläne schmiedet sie nicht. Sie wisse nicht, ob sie in der Schweiz bleiben könne. In dieser Hinsicht hat ihr Kollege Ayub Bahar endlich Gewissheit. Der politische Flüchtling aus der Türkei, der im Gespräch mit Naya Temer als Übersetzer dient, hat die B-Niederlassung erhalten. Dies nach zwei ungewissen Jahren. Der Informatiker hat diese Zeit zum Deutsch lernen und für eine berufliche Weiterbildung genutzt. Demnächst wird er mit Frau und Töchterchen in eine eigene Wohnung ziehen.

Nur gemeinnützige Beschäftigung möglich

Kürzlich hat die Bevölkerung von Grosshöchstetten einen Aufruf erhalten, mit dem die Leitung der Kollektivunterkunft Beschäftigungsarbeiten für Asylsuchende mit Status N suchte, also für Menschen, die auf einen Asylentscheid warten. Die Tätigkeiten müssen zwingend gemeinnützigen Charakter haben, da Geflüchteten mit Status N keine Erwerbstätigkeit erlaubt ist. Sie können etwa bei der Hecken- und Waldpflege sowie bei Vereinsanlässen mithelfen. Gemäss Standortleiterin Viktoriia Hofer werden für solche Einsätze pro Arbeitsstunde zwei Franken auf ein Konto überwiesen. Dieses Geld kommt den Teilnehmenden zugute, beispielsweise für den Besuch von Museen oder für Ausflüge. Hofer sagt, dass Asylsuchende sich gerne nützlich machen. Einige hätten bereits Vereinsanlässe unterstützt und sogar schon für ein Catering gekocht. Solche Beschäftigungseinsätze basieren auf einer gegenseitigen Vereinbarung, die vom Kanton geprüft und bewilligt wird. Geflüchtete mit Status S, F und B dürfen arbeiten. «Sie werden bei der Arbeitssuche begleitet oder bei den dafür nötigen Vorbereitungen», sagt Stephanie Auderset, Verantwortliche für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit beim SRK Kanton Bern.

30.10.2025 :: Laura Fehlmann (lfc)