Die wenigen Bäume, die auf dem Gewerbeareal zwischen Bahnhof und Sägestrasse zu finden sind, wuchsen oft zufällig. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
«Bäumig» (3/4): Bäume sind heute fixer Bestandteil bei der Planung grösserer Siedlungen. Sie spenden Schatten, sorgen für gute Luft, dienen als Sichtschutz und sehen gut aus.
Alte Industriebauten dominieren heute das Bild auf dem Areal Bahnhof-Süd. Lediglich um den historischen Sagihof stehen ein paar wenige Bäume und Sträucher.
Nun werden auf dem rund 1,5 Hektaren messenden Areal in Langnau neun Neubauten mit rund 150 Wohnungen sowie Dienstleistungs- und Büroräumen entstehen – und über 60 Bäume gepflanzt.
Nach welchen Kriterien wurden diese ausgewählt und angeordnet? «An den Rändern der Siedlung werden eher grössere Bäume gepflanzt. Dasselbe gilt bei der Fussgängerverbindung, die vom Bahnhof quer über das Areal Richtung Zeughausparkplatz führt», erklärt Andreas Ringli von der Klötzli Friedli Landschaftsarchitekten AG. «Die grösse-ren Bäume, dazu zählen etwa Traubeneichen oder ahornblättrige Platanen, signalisieren: Hier beginnt etwas Neues», führt Andreas Ringli aus. Möglichst viele Flächen sollen durchlässig bleiben, lediglich die Zugänge zu den Häusern und die Zufahrten zur Einstellhalle werden befestigt. Die unversiegelten Flächen hätten den Vorteil, dass Regenwasser versickern und gespeichert werden kann, was im Sommer einen kühlenden Effekt hat. Zudem werden mit dem Wasser auch die Bäume versorgt, die ihrerseits das Mikroklima ebenfalls positiv beeinflussen. Die kühlende Wirkung der Bäume sei eines von vielen Auswahlkriterien, erklärt Ringli.
Einst ein Pingpong-Tisch und ein Baum
Die Bäume, die auf dem Areal gepflanzt werden, erfüllen verschiedene Funktionen. «Sie sorgen im Sommer für Schatten und kühlen die Umgebung, speichern Schadstoffe und sehen schön aus», nennt der Landschaftsarchitekt Beispiele. Sie dienten aber auch als Sichtschutz. «Früher legte man bei einer Wohnüberbauung grosse Rasenflächen an und in einer Ecke standen noch ein Pingpong-Tisch und ein Baum. Dort hielt sich aber kaum jemand auf, weil der Ort von allen Wohnungen aus einsehbar war.» Bei Bahnhof-Süd würden die Bäume die Freiflächen strukturieren und auch optisch aufwerten, fügt er an. Das Grundprinzip laute: Die Bäume sollen sich «wie ein grüner Teppich» über das Areal legen.
Die diversen Anforderungen an die Bäume legen nahe, dass auf dem Areal verschiedene Arten gepflanzt werden. Auf dem Plan «Umgebungsgestaltung» sind nicht weniger als 15 Baumarten aufgeführt. «Manche haben wir aus ganz praktischen Gründen ausgewählt. Die Bäume müssen auf dem dortigen Untergrund wachsen können und den künftigen klimatischen Bedingungen trotzen», bringt es Ringli auf den Punkt. Etwa jene, die über der Einstellhalle gepflanzt werden: «Dort haben wir an manchen Stellen nur 1 bis 1,50 Meter an Tiefe», führt Ringli aus. Baumarten, welche mit so wenig Erdreich zurechtkämen, seien etwa die aus China stammende Blasenesche oder der japanische Schnurbaum.
Warum setzt er nicht auf einheimische Baumarten? «Für diesen Lebensraum, also mit wenig Erdreich, gibt es praktisch keinen heimischen Baum, der sich eignen würde, ohne umfangreiche Unterhalts- und Pflegearbeiten zu erfordern», erklärt der Landschaftsarchitekt. Er sei froh, habe die Gemeinde nicht die Auflage gemacht, ausschliesslich einheimische Bäume zu pflanzen.
Wie ein Baumgarten
«An anderen Stellen setzen wir aber auf heimische Bäume», erklärt Ringli. In der Tat sind auf dem Plan auch Feldahorn, Mehlbeere, Flaumeiche, Speierling sowie Föhre zu finden. Die Siedlung werde wie ein Arboretum – also eine Sammlung verschiedenster Gehölze – wirken. «Nebst den funktionalen Eigenschaften spielt selbstverständlich auch die Gestaltung eine Rolle», erklärt Andreas Ringli. «Die Gleditschie beispielsweise hat eine sehr schöne Herbstfärbung.» Zudem habe eine grosse Vielfalt auch den Vorteil, dass das Risiko besser verteilt wird. Wenn plötzlich ein Schädling eine bestimmte Baumart befalle, sei immer nur ein kleiner Teil gefährdet. Umgekehrt sollen die Bäume auch ein Zuhause für verschiedene Lebewesen bieten. «Eichen sind dabei besonders geeignet», wirft Ringli ein.
Abgesehen haben die Planer von Bahnhof-Süd von Obstbäumen. «Die Früchte ziehen oft Wespen an, welche erfahrungsgemäss in einer Siedlung, in der sich viele Menschen aufhalten, nicht beliebt sind.» Zudem müssten die Früchte eingesammelt werden, was mehr Unterhalt bedeute.
Bei öffentlichen Gebäuden empfehle er durchaus Obst oder Beeren. Bei einer Kita komme ein sogenannter Naschgarten stets gut an und sei eine spannende Erfahrung für die Kinder. «Oder beim neuen Schulhaus in Konolfingen haben wir kleine Obstbäume pflanzen lassen.»
Werden auch die Fassaden der Gebäude begrünt? «Ja, manche sind so konzipiert, dass sie beispielsweise mit einem Efeu berankt werden können.»
Bäumen haben einen Stellenwert
Pflanzen spielen bei der Planung solcher Siedlungen eine grössere Rolle als in der Vergangenheit. «Besonders Bäume haben heute einen höheren Stellenwert. Es zeigt sich ja auch daran, dass die Umgebung bereits beim Architekturwettbewerb ein Thema war, welcher 2019 abgeschlossen wurde», sagt der Landschaftsarchitekt. «Die Umgebung wird heute bewusster gestal-tet.» So findet man auf dem Plan nebst Bäumen, Pflästerungen und Pflanzflächen auch verschiedene Rasenfelder; das grösste misst 20 mal 33 Meter und wird künftig sicher Kindern zum Fussballspielen dienen. «Und speziell an dieser Siedlung ist natürlich der Gewerbekanal, der an sich unterirdisch durchfliesst. Ein kleiner Teil des Wassers wird auf einer Länge von gut 30 Metern in einem ein Meter breiten Kanal gezeigt», wirft Ringli ein. Das Wasser werde dort maximal 20 Zentimeter tief und frei zugänglich sein. «Dort können Kinder plantschen oder man kann sich barfuss ins kühle Wasser stellen», erklärt Andreas Ringli. «Und der Wasserlauf hat natürlich auch eine positiven Einfluss auf das Mikroklima.»