Zweites Leben für Siebenschläfer

Zweites Leben für Siebenschläfer
Max und Moritz beim Kuscheln nach Siebenschläferart. / Bild: Beatrice Keck (keb)
Schüpfheim: Zwei hilflose Siebenschläfer-Babys rührten das Herz von Beatrice Keck. Sie päppelt sie auf, um sie später wieder auszuwildern. Erschrocken ist sie ob den teils negativen Reaktionen.

Die beiden Siebenschläfer klammern sich an das Deckengitter des Käfigs. Aufmerksam blicken sie mit ihren schwarzen Knopfaugen herum, die Ohren sind ständig in Bewegung. Behände springt eines der silbergrauen Tierchen auf den Nistkasten, setzt sich hin, nimmt eine geöffnete Walnuss in die Vorderpfoten und knabbert daran. «Sie sind sehr geschickt und aktiv», freut sich Beatrice Keck aus Schüpfheim.

Ende August sind die beiden Siebenschläfer bei ihr eingezogen. Sie sind ihr sozusagen vor die Tür gefallen. «Ich war am Arbeiten im Haus, Tür und Fenster standen offen. Plötzlich hörte ich ein seltsames Schreien. Nachdem es nicht aufhörte und zunehmend verzweifelt tönte, ging ich nachschauen.» Auf der Türschwelle, neben einer Steinmauer, fand sie ein etwa fünf Zentimeter kleines Wesen, das jämmerlich schrie. Weil sie nicht einordnen konnte, was es ist, schickte sie dem Tierarzt ein Foto. Die Antwort kam postwendend: ein Siebenschläfer. Sie packte ihn in eine Kartonschachtel und fuhr zum Tierarzt, der ihr Tipps gab, wie sie weiter verfahren soll. «Kaum zurück, hörte ich erneut dieses Schreien; ein zweites Jungtier lag auf der Fussmatte.» Offenbar war die Mutter gestorben, vielleicht ein Marder oder eine Eule. Für Beatrice Keck war klar, dass sie die Geschwister nicht ihrem Schicksal überlassen wird. Sie nahm sie auf und gab ihnen den Namen Max und Moritz.


Nicht alle Leute haben Freude

Beatrice Keck informierte sich beim Kanton und bei der Auffangstation des Tierparks Goldau, wie die Sache anzugehen sei. Sie organisierte eine Wärmeplatte und einen Hamsterkäfig, stellte Äste und einen Nistkasten hinein und kaufte Babybrei. Schon bald konnte sie diesen ergänzen mit Trauben, Zwetschgen und Äpfeln, später folgten Karotten und Nusskerne. «Es ist faszinierend zu beobachten, wie rasant sie sich entwickeln», sagt Keck. Und es sei erschreckend, wie viele Menschen negativ auf diese Tiere reagiert hätten. Sie würden Vorräte plündern, Dreck und Radau machen, alles zernagen und Nistkästen von Vögeln ausrauben, bekam sie etwa zu hören. Solche Probleme sind Regula Tester bekannt. Sie ist Präsidentin von Pro Bilche Schweiz – der Siebenschläfer gehört wie die Haselmaus und der Gartenschläfer zur Familie der Bilche. Siebenschläfer lebten vorwiegend vegetarisch. Das zeigten Kotproben. «Ich persönlich habe noch nie Vogelfedern oder Eierschalen in einem Siebenschläfernest entdeckt», sagt die Biologin. Hingegen übernähmen diese gerne ein Singvogelnest oder eine Bruthöhle, nachdem die Jungvögel flügge sind. Sicher würden mehr Singvögel durch Hauskatzen als durch Siebenschläfer getötet, gibt Regula Tester zu bedenken. Bei Siebenschläfern im Haus empfiehlt sie, die Eintrittsöffnung – zwei bis drei Zentimeter genügen – zu verschliessen und die Tiere mit Lebendfallen zu fangen, jedoch nicht von Mai bis Juli, wenn mit Jungtieren zu rechnen ist. Am besten ziehe man die Wildhut bei, denn es müssten kantonale Vorschriften beachtet werden. Weiter könnten nahe am Gebäude stehende Sträucher und Bäume zurückgeschnitten werden. «Keine Lösung ist der Einsatz von Gift», betont Tester. Dieses führe zu einem qualvollen Tod, vergifte unbeteiligte Tiere und belaste die Umwelt nachweislich.


Im Frühling freilassen

Beatrice Keck hofft, dass ihre beiden Jungtiere nie eine solche Erfahrung machen müssen, denn ihr Ziel ist es, sie auszuwildern. Deshalb füttert sie Max und Moritz nicht von Hand und berührt sie nur in Ausnahmefällen. Doch für den Winterschlaf in der Natur sind die beiden aktuell noch viel zu leicht, obwohl sie ihr Gewicht von 18 auf 55 Gramm fast verdreifacht haben; sie müssen mindestens auf 180 Gramm kommen. «Ich habe nun mit dem Tierpark Goldau abgemacht, dass ich sie dort zum Überwintern geben kann. Und dann, im Frühling, kann ich sie abholen und bei mir freilassen.»

Zuerst Fett anfressen, dann das halbe Jahr verschlafen

Siebenschläfer sind nachtaktive Nagetiere. Mit seinem grau bis graubraunen Rücken, dem weissen Bauch und dem buschigen Schwanz ist er unverwechselbar. Sein bevorzugter Lebensraum sind Laub- und Mischwälder mit einem grossen Anteil an Eichen, Ahorn, Haselstrauch, Buchen und Esskastanien. Die fettreichen Samen dieser Bäume bilden die Hauptnahrung in den Wochen vor dem Winterschlaf. Auch werden alte Heckenbestände, Obstwiesen und Weinberge besiedelt, sofern diese mit Waldstücken vernetzt sind. Der Siebenschläfer wird seinem Namen gerecht. Wenn es kälter wird, sucht er einen frostsicheren Schlafplatz, wo er zwischen September bis Mai Winterschlaf hält, etwa in einer Baumhöhle, einem Vogelnistkasten oder einem selbst gegrabenen Erdloch. Auch einer Behausung in Kellern, Scheunen oder Estrichen ist er nicht abgeneigt, vor allem in Gebäuden, die im Winter wenig genutzt werden. Während des Winterschlafs sinkt die Körpertemperatur auf ungefähr fünf Grad ab, das Tier atmet ein- bis dreimal pro Minute, das Herz schlägt nur noch 5 statt 300 Mal pro Minute.

Siebenschläfer kommen in der Schweiz bis auf eine Höhe von zirka 1400 Metern über Meer vor und sind nicht gefährdet. Ihr Schutz obliegt den Kantonen. Im Kanton Bern gelten sie als geschützt, im Kanton Luzern dagegen nicht.

18.09.2025 :: Silvia Wullschläger (sws)