Melkt die Kühe der Familie Gerber routiniert: Betriebshelfer Moritz Berger. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Emmental: Auf einem Bauernhof mit Tieren kann der Betrieb nie stillstehen. Wenn zum Beispiel der Landwirt verunfallt, muss sofort eine Lösung her – doch Betriebshelfer sind rar.
«Isch dr Moritz scho da?», fragt Bäuerin Annemarie Gerber ihren Mann Bernhard – «Ja, är bingt scho Chüe a», hallt die Antwort durch den Stall. Wenn man nicht wüsste, dass es sich beim jungen Mann um einen Betriebshelfer handelt, der hier auf dem Heimwesen unter Grindlen bei Gohl im Einsatz steht, könnte man meinen, es sei der Jungbauer. Die Abläufe sind eingespielt, alle wissen, was sie zu tun haben. Seit zwei Monaten ist der 24-Jährige auf dem Hof im Einsatz. Morgens und abends melkt er die rund 30 Kühe, packt bei der Fütterung und anderen Arbeiten im Stall an. Die weiteren Aufgaben führe der Betriebshelfer in Absprache mit dem Ehepaar Gerber aus. «Beispielsweise beim Heuen wären wir ohne diese Unterstützung aufgeschmissen», hält Bernhard Gerber fest. Seit einem Aortariss und einem Hirnschlag kann der heute 63-jährige Bauer nur noch einen kleinen Teil der anfallenden Arbeiten selber erledigen. Den Betrieb aufgeben war aber für das Ehepaar keine Option. Und mit den Betriebshelfern, Moritz Berger ist nicht der erste, laufe es sehr gut, bilanzieren die beiden.
Die Liste soll länger werden
Vermittelt werden die landwirtschaftlichen Betriebshelfer durch Armin Kunz, der die Einsatzstelle seit 2022 leitet. «Im Emmental ist die Zahl der Einsätze in den letzten Jahren gestiegen», stellt er fest. Besonders psychische Probleme hätten zugenommen.
Damit für möglichst alle Fälle eine geeignete Person entsendet werden kann, sucht der Verein Betriebs- und Familienhilfe oberes Emmental aktuell weitere Betriebshelferinnen und -helfer. «Das ist eigentlich eine Daueraufgabe», meint Kunz. Momentan stehen auf seiner Liste 22 Namen, vier davon sind Frauen. «Grob gesagt sind es zwei Gruppen von Leuten, die sich auf diese Weise auf landwirtschaftlichen Betrieben engagieren: Pensionierte Bauern, welche noch fit sind und helfen wollen sowie junge Bäuerinnen und Bauern, welche ihren Rucksack mit wertvollem Wissen füllen möchten.»
Zu dieser Gruppe gehört Moritz Berger. «Diese Einsätze sind für mich sehr lehrreich. Dies, weil jeder Betrieb anders ist.» Beim Ehepaar Gerber hat er schon letztes Jahr ausgeholfen, um den damaligen Betriebshelfer abzulösen. «Daher kannte ich den Hof bereits recht gut.» Obwohl Moritz Berger frühmorgens mit der Arbeit beginnt, wohnt er nicht auf dem Hof. Heimisch fühlt er sich dort gleichwohl: «Es sy gäbigi Lüt.» Seit kurzem steht sogar seine Kuh im Stall der Gerbers. In der 30-köpfigen Herde ist sie zwar die Kleinste, aber die einzige mit Hörnern. Berger ist nicht «nur» als Betriebshelfer tätig. Daneben arbeitet er noch stundenweise in einer Käserei.
Wenn sich Probleme häufen
Einsätze wie jener bei den Gerbers gehören zu den einfacheren, meint Einsatzleiter Armin Kunz. Praktisch sei auch, wenn der Einsatz geplant werden könne, etwa wenn der Landwirt wegen einer Operation für drei Monate ausfalle. Schwieriger sei es, wenn nicht nur gesundheitliche, sondern auch wirtschaftliche und zwischenmenschliche Probleme vorlägen. «Da kommt es vor, dass die Betroffenen gar keine Hilfe wollen, weil sie Angst haben, die Rechnung nicht bezahlen zu können», hat Kunz die Erfahrung gemacht. Meist decken Versicherungen zumindest einen Teil der Kosten. «Für Härtefälle sammeln wir vom Verein Geld, um auch dort die Not etwas zu lindern.»
Der Verein ist Teil der kantonal tätigen Landwirtschaftlichen Betriebs- und Familienhilfe (LBF). «Das Emmental ist im Vergleich zu anderen Regionen noch recht gut aufgestellt», sagt Geschäftsführerin Aline Plüss. Über den ganzen Kanton Bern gesehen sei die Zahl der Einsätze recht konstant. Im Oberland helfe man sich im Vergleich zu anderen Regionen mehr innerhalb der Familie aus, hat sie die Erfahrung gemacht. In vielfältigen Betrieben im Mittelland mit Vieh und Ackerbau sei es oft nicht einfach, einen Betriebshelfer zu finden, der sich mit der modernen Technik auskenne.
Auf dem Hof unter Grindlen ist Moritz Berger daran, die Kühen zu melken. «Ich kenne fast alle Melksysteme. Und auch mit den Kühe hier habe ich mich schon angefreundet.»