Frauen sind in Gemeinderäten nach wie vor untervertreten

Frauen sind in Gemeinderäten nach wie vor untervertreten
Es ist längst nicht nur die Familienarbeit, die Frauen daran hindert, sich in der Gemeindepolitik zu engagieren.
Emmental: In den Gemeinderäten sitzen immer noch wenige Frauen, noch weniger haben das Präsidium inne. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Wie könnte der Anteil erhöht werden?

In mehreren Gemeinden wird in den kommenden Wochen gewählt. Erfahrungsgemäss ist es grundsätzlich nicht leicht, Personen für politische Ämter zu finden. Und manche Parteien haben wohl auch diskutiert, ob genügend Frauen auf der Liste stehen. Denn: Frauen sind in Schweizer Gemeindebehörden nach wie vor deutlich in der Minderheit, wie Zahlen des Forschungsprojekts Promo Femina der Fachhochschule Graubünden zeigen. Im Kanton Bern zum Beispiel sind nur 20,6 Prozent der Gemeindepräsidien mit Frauen besetzt. In den Gemeinderäten (Exekutiven) beträgt der Frauenanteil rund 28,7 Prozent (Stichjahr 2024). Wie sieht die Situation im Emmental aus? Während etliche Gemeinderäte einen Frauenanteil zwischen 20 und 40 Prozent aufweisen, gibt es auch solche, die ausschliesslich in Männerhand sind (Schangnau, Rüegsau). Im Neunergremium von Langnau sitzt lediglich eine Frau (entspricht 11%). Auch beispielsweise in Signau, Lützelflüh und Dürrenroth sind mit je einem Sitz (14%) Frauen deutlich untervertreten. Es gibt auch Ausnahmen: In den Gemeinderäten in Grosshöchstetten und Zäziwil sind die Frauen derzeit gar in der Überzahl. Insgesamt ist das Bild vergleichbar mit dem Schweizerischen Durchschnitt. Dies gilt auch für die Präsidien im Gebiet: Von den 36 Emmentaler Gemeinden haben zurzeit 7 eine Präsidentin - knapp 19,5 Prozent.


«Schwierig, Frauen zu gewinnen»

Doch woran liegt der geringe Anteil an Frauen in der Lokalpolitik? «Promo Femina» befragte junge Frauen zwischen 25 und 35 Jahren, was sie daran hindere, sich für ein politisches Amt zur Verfügung zu stellen. «Zu viel Aufwand, zu wenig Wissen über Politik sowie zu grosse Verantwortung», waren viel genannte Gründe. Die Teilnehmerinnen begründeten den Mangel an Zeit noch häufiger als mit der Familie mit dem Beruf und Hobbys. Kurz: Viele Frauen sind bereits vollständig ausgelastet. Kathrin Scheidegger, seit 15 Jahren im Gemeinderat von Trachselwald, neun davon als Präsidentin, teilt diese Erkenntnis. «Es ist eher noch schwieriger geworden, Frauen für Ämter zu gewinnen, weil sie zunehmend in grösserem Umfang berufstätig sind», sagt sie. Politik, Beruf und Familie bedeute eine Mehrfachbelastung. Ihr Pensum als Gemeindepräsidentin beziffert Scheidegger auf rund 20 bis 25 Prozent - und dies in der 920-Seelen-Gemeinde Trachselwald.


Frauen werden seltener angefragt

Mangelnde Vereinbarkeit ist für Frauen nicht der einzige Grund, der sie von einer politischen Tätigkeit abhält. Erst einmal müssen Frauen überhaupt angefragt werden. Und dabei besteht Nachholbedarf. Laut «Promo Femina» werden Frauen im Vergleich zu Männern nur halb so oft für eine politisch leitende Funktion angefragt. Laut der erhobenen Daten interessieren sich Frauen - auch hier stammen die Antworten von 25 bis 35-Jährigen - aber auch deutlich weniger für Gemeindepolitik als junge Männer.


Zweifel und Bedenken

Christine Hofer, seit 2014 Gemeinderätin in Grosshöchtetten und seit 2018 Präsidentin («offiziell in einem 50%-Pensum, in der Realität weit mehr»), hat zudem die Erfahrung gemacht, dass sich Frauen besonders gründlich überlegen, ob sie den Ansprüchen gewachsen seien. «Auch ich selbst habe damals alles von vorne bis hinten durchdacht», erzählt sie. Manche Frauen hätten Zweifel, ob sie sich für ein Amt oder auch ein spezifisches Ressort eignen würden. Immer häufiger höre sie auch Bedenken von Frauen - und manchmal auch von Männern -, ob sie sich ein politisches Amt zumuten wollen. «Man braucht einen breiten Rücken und muss sich zuweilen viel anhören», sagt Hofer.


120 Massnahmen

Wo also ansetzen, wenn die Gemeindepolitik weiblicher werden soll? Das Projekt «Promo Femina» schlägt in den Bereichen Kandidatur, Amtsführung sowie Rahmenbedingungen rund 120 Massnahmen vor, die auf einer interaktiven Plattform mit Praxisbeispielen einsehbar sind. Dazu gehören etwa Mentoring, überparteiliche Unterstützung oder neue Modelle der Gemeindeführung. Einige konkrete Beispiele: Um die Vereinbarkeit zu fördern, wird vorgeschlagen, Sitzungen zu beschränken, die Präsenzzeit zu verringern oder eine maximale Stundenanzahl pro Amt zu definieren. Auch eine Teilzeitanstellung für Behördenmitglieder könnte zu einer besseren Vereinbarkeit beitragen, weil so die Einbettung in das Sozialversicherungssystem sichergestellt würde, heisst es. Viele Massnahmen richten sich direkt an Politikerinnen und Kandidatinnen. Zum Beispiel könnten Amtierende stärker als Botschafterinnen eingesetzt werden. Potenziellen Kandidatinnen sollte es ermöglicht werden, Politikerinnen bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Diese Punkte betont auch Christine Hofer: «Wir müssen Interessierte ermutigen und für sie ein unterstützendes Umfeld schaffen. Denn die Gemeinden brauchen Frauen, die sich politisch einsetzten.» Sowohl Kathrin Scheidegger wie auch Christine Hofer haben dies nun lange getan. Per Ende 2025 treten sie zurück. Wer sie ersetzen wird und ob die Präsidien in Frauenhand bleiben, wird sich zeigen.

04.09.2025 :: Regine Gerber (reg)