Die Übung beim Sprungbecken läuft auf Hochtouren - alle sind konzentriert bei der Sache. / Bild: Lenia Gehrig
Langnau: Ein Mann mit Schmerzen kann das Becken nicht verlassen; ein Bewusstloser liegt in der Sauna. In der Badi üben angehende Rettungssanitäterinnen und -sanitäter für reale Einsätze.
Der Krankenwagen fährt zum Eingang der Badi Langnau. Die Rettungssanitäter begeben sich mit einer Trage und der Notfallausrüstung in Richtung Sauna. Dort treffen sie auf einen Mann, der kurz vorher bewusstlos geworden war. Sie untersuchen ihn auf lebensbedrohliche Verletzungen, legen ihm einen Zugang, um ihn mit Flüssigkeit und Medikamenten versorgen zu können, und beobachten seinen Zustand genau. Er ist nun wieder ansprechbar und wird versorgt. Jetzt wird beurteilt, ob ein Krankenhausaufenthalt notwendig ist oder nicht. «Der Mann ist Diabetiker und ist wegen einer Unterzuckerung zusammengebrochen», erklärt Rettungssanitäterin Vanessa Gerber den Hintergrund der Übung. Sie ist Berufsbildnerin beim Rettungsdienst Emmental-Oberaargau. Heute leitet sie eine der Gruppen von angehenden Rettungssanitäterinnen, die in der Badi den Ernstfall proben.
Lernen unter realen Bedingungen
«Die gesamte Übung wird so realitätsnah wie möglich durchgeführt», erklärt Lisa Liechti, die ebenfalls Berufsbildnerin ist. Es werden auch der Umgang mit Material, Hygienevorschriften und das Einhalten der Sicherheitsregeln geübt.
Der Rettungsdienst Emmental-Oberaargau führt fünfmal im Jahr solche Übungen durch, heute erstmals im Freibad Langnau. Die Einsatztrainings würden an unterschiedlichen Orten organisiert, erzählt Lisa Liechti. «Vom Spital bis hin zum Wald ist alles dabei.» Ziel sei es, dass die Studierenden Verantwortung übernehmen könnten. So hätten sie die Möglichkeit sich auszuprobieren, ohne Angst vor Fehlern haben zu müssen.
Herausfordernde Ausbildung
Die Auszubildenden sind von Anfang an bei richtigen Einsätzen dabei und unterstützen das Rettungsteam aktiv. Was ist am Anfang am schwierigsten? Je nach beruflicher Vorbildung der Studierenden sei es etwas anderes, sagt Lisa Liechti. «Aber schon nur die Ambulanz zu fahren, ist zu Beginn eine Herausforderung.» Auch effiziente Kommunikation innerhalb des Teams sowie das Zeitmanagement seien nicht zu unterschätzen. Jede Person mit abgeschlossener Sekundarstufe II kann die zwei- oder dreijährige Ausbildung zum Rettungssanitäter absolvieren. Die an der Übung teilnehmenden Studierenden würden sich in unterschiedlichen Lehrjahren befinden, sagt Lisa Liechti. «So können die Personen aus dem dritten Ausbildungsjahr jene aus dem ersten unterstützen.»
Unfall beim Sprungbrett
Eine neue Einsatzmeldung für die nächste Übung trifft ein: «Eine Person mit starken Schmerzen kann das Wasser nicht mehr selbstständig verlassen», heisst es. Im Ernstfall werden Einsatzmeldungen durch die Notfallnummer 144 koordiniert; die Rettungskräfte erhalten sie per App. «Die Meldungen sind oft knapp formuliert und enthalten nur wenige Informationen», sagt Lisa Liechti. Dies werde auch in den Übungen so geprobt. Die Rettungskräfte begeben sich zum Becken des Sprungsturms, wo sich die betroffene Person befindet. Sie analysieren die Situation und stellen Fragen, um zu verstehen was passiert ist. Da ein längerer Aufenthalt im Wasser schnell zu Unterkühlung führen kann, holen die Rettungssanitäter den Mann mit einem Bergungsbrett möglichst schnell aus dem Wasser. Anschliessend wird dem Verletzten eine Wärmefolie übergelegt. Später wird klar, dass der Mann in diesem Beispiel eine Hüftluxation erlitten hat.
Wasser und viele Zuschauer
In ihrem Arbeitsalltag seien Einsätze in der Badi zum Glück eher selten, erzählt Lisa Liechti. Als Übungsplatz eigne sich das Freibad trotzdem sehr gut, ist sie überzeugt. «Hier hat man die Herausforderung, dass sich die verletzten Personen im Wasser befinden können.» Rettungssanitäter würden aber selbst nicht ins Wasser gehen. Auch die Zufahrt zu einem solchen Gelände könne schwierig sein. «Zudem müssen wir an einem schönen Tag damit rechnen, dass sich viele Menschen in der Badi aufhalten, was einen Einsatz erschweren kann», so die Berufsbildnerin. Bei Einsätzen sei der Umgang mit Zuschauenden immer wieder ein Thema. Es komme vor, dass das Geschehen von Passanten sogar gefilmt würde, was aber verboten sei. Auch solche Themen haben an Übungstagen wie heute Platz.