Lange Halme, lange Geschichte: Wie sich Urdinkel etablierte

Lange Halme, lange Geschichte: Wie sich Urdinkel etablierte
Der Dinkel ist reif und kann in diesen Tagen gedroschen werden. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Emmental: Dank Landwirten, die vor 30 Jahren die Gründung der IG Dinkel angestossen haben, wird noch heute traditioneller Urdinkel angebaut. Dieser hat spezielle Eigenschaften.

Eigentlich war der Niedergang vorprogrammiert. Um 1900 war Dinkel in der Deutschschweiz noch die häufigste Getreideart. Diese wurde dann mehr und mehr vom ertragsstärkeren Weizen verdrängt. In den Achtzigerjahren fand man nur noch in Ackerbau-Randgebieten wie dem Emmental ein paar Felder, auf denen Korn angebaut wurde, wie viele Bauern diese Getreideart noch heute nennen. Der traditionelle Dinkel-Anbau drohte zu verschwinden.

Die Initiative einiger Emmentaler Landwirte, dieses Getreide zu retten, stiess bei ihren Berufskollegen auf grosses Interesse. «In der Anfangseuphorie wurde viel zu viel produziert. Zuerst musste der Verkauf aufgebaut werden», sagt Thomas Kurth, langjähriger Geschäftsführer der IG Dinkel, die ihren Sitz in Bärau hat. Seit Anbeginn setzt man auf teils über 100-jährige Sorten, wie etwa Oberkulmer, weshalb das Getreide als Urdinkel vermarktet werden kann.

Im Lauf der Zeit stieg die Nachfrage stetig und es konnte mehr Urdinkel angebaut werden. In den letzten Jahren hat sich die Anbaufläche bei gut 6000 Hektaren eingependelt, wobei die Landwirte entweder nach den Richtlinien von Bio- oder IP-Suisse produzieren.


Thomas Kurth, wird die heurige Ernte gut?

In tieferen Lagen konnten schon viele Urdinkel-Felder gedroschen werden. Die Qualität war gut. Nun hoffe ich,  dass die vielen Niederschläge der letzten Wochen nicht zu viel geschadet haben.


Ist der Urdinkel besonders anfällig?

Wegen der sehr langen Halme knickt er relativ rasch um, was für die Ähren nicht gut ist. Die alten Sorten, welche die Bauern als Urdinkel säen können, haben aber auch Vorteile.


Zum Beispiel?

Das Getreide enthält viele Ballaststoffe und Proteine – das ist positiv für die Konsumenten. Für die Landwirte ein Vorteil ist zum Beispiel, dass die Getreideart mit wenig Dünger und bei recht rauen Verhältnissen wächst, was beispielsweise im Emmental in manchen Lagen der Fall ist.


Es gibt moderne Dinkel-Züchtungen, die weniger anfällig auf Krankheiten und ertragsstärker sind. Warum sind diese nicht zugelassen?

Weil diese dem Weizen zu ähnlich sind. Indem wir auf alte Sorten setzen, erhalten wir die typischen Eigenschaften, zu denen auch etwa ein unelastischer Teig beim Backen gehört.


Trotz der recht konstanten Anbau­fläche schwankt die Erntemenge stark.

Die Erntemenge auf die Marktbedürfnisse abzustimmen, ist die grosse Herausforderung für unsere Organisation. Seit einige Jahren können wir bei grösseren Ernten Reserven für schlechtere Jahre anlegen.


Wie wird sich der Urdinkel-Anbau weiter entwickeln?

Wir wollen weiterhin eine Nische bieten für eher extensive Landwirtschaftsbetriebe, die sich auch für ein Kulturgut engagieren möchten.

Sie bauen seit über 30 Jahren Korn an

Auf ein paar Emmentaler Landwirtschaftsbetrieben wird seit der Gründung der Interessengemeinschaft vor 30 Jahren Urdinkel gesät.

Andreas Sommer vom Hof Mauer in Sumiswald ist ein routinierter Landwirt. Auch schon sein Vater habe Korn angebaut, wie er die Getreideart nennt. Und er setzt auf dieselbe Sorte: den bereits 1910 zugelassenen Oberkulmer. Für den Biolandbau sei Dinkel gut geeignet. «Er unterdrückt die Unkräuter dank seiner Länge gut und braucht kaum Dünger», berichtet er. Als junger Landwirt habe er probiert, etwas mehr Ertrag rauszuholen und habe den einen oder anderen Lehrblätz gemacht. Wird Dinkel zu stark gedüngt, knicken die Halme um, was den Ertrag wie auch die -Qualität mindert.

Erst seit kurzem den Betrieb führt Michael Stettler vom Hof Im Winkel, Bärau. «Wir hatten schon immer Dinkel.» Diesen baut er für das Label IP Suisse an. Er verzichtet auf Pestizide, sondern bekämpft die Unkräuter mit dem Striegel. Dass es bei diesem -Getreide grosse Schwankungen gibt, musste er auch schon erfahren. 2024 habe lediglich die Hälfte der ohnehin kleinen Ernte die Qualitätskriterien als Lebensmittel erfüllt, der Rest habe als Tierfutter verwertet werden müssen.

Wie die anderen Landwirte rechnet auch Daniel Badertscher, Ebnit bei Zollbrück, damit, dass der Dinkel nun reif für die Ernte ist. Er hofft, dass er nicht von Auswuchs betroffen ist; das wäre der Fall, wenn die Kerne bereits an der Ähre begonnen hätten zu keimen. Weil seine Äcker teils steil sind, zieht er für seinen IP Suisse-Dinkel die chemische der mechanischen Unkrautbekämpfung vor. «Das hat sich bewährt», sagt Badertscher. «Aber man kann nicht alle Faktoren beeinflussen. Es braucht beim Dinkel auch immer etwas Glück.»

07.08.2025 :: Bruno Zürcher (zue)