Ein Hingucker auf der Weide der Moosacker Ranch in Oberthal: Die Kuh Rose in ihrer ganzen Pracht. / Bild: zvg
Oberthal: Seit 20 Jahren werden in der Schweiz Texas Longhorn gezüchtet. 23 der total 120 Tiere leben in Oberthal auf dem Hof von Susanne Sommer, der Präsidentin des Zuchtverbands.
Am Anfang war Gertrud. Sie lebte auf einer Ranch in Texas, einziges Longhorn unter Angus Rindern. Gertrud schaute liebevoll und geduldig zu allen Kälbern. «Sie war eine richtig coole Kuh», schwärmt Susanne Sommer noch Jahre nach ihrem Aufenthalt in den USA. Fasziniert von dieser Rinderrasse mit den riesigen Hörnern beschlossen sie und ihr Mann Jürg Keller, seinen elterlichen Hof neu aufzubauen und wiederzubeleben. «Uns beiden war klar, dass es Texas Longhorns sein müssen.» 2020 zogen die ersten drei Kühe in den neuen Stall ein, sie stammten von zwei Züchtern aus der Schweiz. Kurz darauf folgten weitere Tiere aus Deutschland und Österreich. «Das war wichtig, denn weil es noch nicht viele Tiere gibt, wird Inzucht schnell zum Problem», erklärt Susanne Sommer. Tiere oder Samen aus den USA zu importieren sei sehr kompliziert. Weil ihre Herde schon bald eine Blutauffrischung nötig habe, müssten sie sich in Europa nach einem geeigneten Muni umsehen. Als Präsidentin des Schweizerischen Zuchtverbands Swiss Texas Longhorn Association verfügt sie über zahlreiche Kontakte.
Ruhig und geschickt
Inzwischen leben 23 Tiere auf der Moosacker Ranch in Oberthal – neun Kühe, ein Stier sowie die Jungtiere. Sie alle weisen unterschiedliche Farben und Muster auf, aber eins ist allen gemeinsam: die eindrücklichen Hörner. Die Spannweite, erzählt Sommer, betrage normalerweise zwischen 1,30 und 1,80 Meter. Der Weltrekord liege bei 3,23 Metern. Gefährlich seien die Rinder deswegen aber nicht, im Gegenteil, sie seien ruhig und friedfertig. «Allerdings muss man sich an den Radius der Hörner gewöhnen, sonst kann es einen, wenn sie zum Beispiel Fliegen abwehren, schon treffen.» Die Tiere gingen geschickt mit ihren Hörnern um, so sei eine breitere Stalltüre nicht nötig. Selbst bei einem Fressgitter könnten sie den Kopf problemlos einfädeln. «Und wenn es zu Rangkämpfen kommt, gibts höchstens mal eine kleine Schramme.»
Auch bei 40 Grad draussen
Faszinierend findet die Züchterin, dass die Rinder alle möglichen Farben und Muster aufweisen. Mit der Zucht könne dies nur schwer gesteuert werden. «Am Ende ist es immer eine Überraschung, wie die Kälbchen gezeichnet sind, und das ist schön.» Beim Longhorn scheine noch das Ur-Rind durch, die Instinkte seien stärker vorhanden als bei hochgezüchteten Rassen. «Sie sind extrem aufmerksam. Sind etwa Hunde in der Nähe, nehmen sie sofort eine Verteidigungsstellung ein.» Ein Vorteil der Longhorns sei, dass sie nicht nur gut mit der Kälte zurechtkommen, sondern auch die Hitze besser ertragen als hiesige Rassen. Auch bei 35 bis 40 Grad hätten sie keine Probleme. «In Texas sind die meisten Herden ständig draussen, sie haben keine Ställe, deshalb sind sie heisse Temperaturen gewohnt», erklärt Susanne Sommer. Beim Futter seien sie genügsam und gute Verwerter. Mit Ökoheu beispielsweise sind sie zufrieden. Ihre Rinder erhielten nur Gras und Heu, und über den Winter etwas Luzerne, vor allem für die Kälber. «Was sie auch mögen, sind Maiswürfeli; die geben wir als Belohnung. Wir haben sie darauf trainiert, dass sie zu uns rennen, wenn wir pfeifen.»
Fleisch wird direkt verkauft
Susanne Sommer und ihr Mann verbringen – nebst ihrer Vollzeitarbeit auswärts – viel Zeit mit ihren Rindern. Trotzdem, nur zur Freude halten sie die Longhorns nicht. Sie verkaufen das Fleisch an Privatpersonen und an einige Restaurants. Die Stierkälber bleiben zwei Jahre bei der Herde, dann werden sie geschlachtet. «Die Kuhkälber konnten wir bis jetzt fast alle lebend verkaufen», sagt sie. Doch das funktioniere nur, wenn es alle Jahre neue Züchter gebe; bis jetzt sind es rund 15 in der ganzen Schweiz. Im Emmental und Entlebuch hat es nebst jener in Oberthal noch eine ähnlich grosse Herde in Marbach und eine kleine in Lauperswil. Susanne Sommer hofft, dass die Zahl weiter wächst, damit auch die genetische Vielfalt zunimmt. Um die Texas Longhorns der Öffentlichkeit zu präsentieren und das 20-Jahr-Jubiläum des Zuchtverbandes zu feiern, finden dieses Jahr verschiedene Feste statt; auf der Moosacker Ranch in Oberthal am 13. September.