Kampf um die Eichenlaubkrone

Kampf um die Eichenlaubkrone
Des Königs Krönung: Joel Wickis grosser Moment. / Bild: Barbara Loosli (blo)
Königlich (2/6): Jasmin Gäumann kämpft für ihren grossen Traum Schwingerkönigin zu werden – und rückt diesem Ziel immer näher. Schwingerkönig Joel Wicki tritt als Titelverteidiger an und steht damit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Königstitel hat eine lange Geschichte, die den Nationalsport bis heute prägt.

Wenn Joel Wicki in den Sägemehlring steigt, sind alle Augen auf ihn gerichtet. Der 28-Jährige aus Sörenberg trägt jenen Titel, wovon Schwingerinnen und Schwinger träumen: Schwingerkönig. «Ganz genau kann man vorher nicht wissen, wie es wird, wenn man Schwingerkönig ist», sagt Wicki rückblickend. Was sicher ist; seit jenem Sonntag in Pratteln ist er der Gejagte. «Jeder will den König auf den Rücken legen.» Damit könne er gut umgehen – ebenso mit der wachsenden Bekanntheit über die Schwingszene hinaus. Weniger leicht falle es ihm, mit der Kehrseite des Ruhms umzugehen – mit unsachlicher Kritik und unangenehmer Post, die der Titel auch mit sich bringe.


Bärenstarke Legenden

Bereits vor der Gründung des Eidgenössischen Schwingerverbandes (ESV) im Jahr 1895 gab es Schwingerkönige. Die grössten Schwingfeste waren damals Unspunnen und dasjenige auf der Grossen Schanze in Bern. Viele Geschichten und Legenden ranken sich um die Schwingerkönige aus dieser Zeit. Der erste soll Johann Josef Vogel (1735–1820) gewesen sein – ein Statthalter und Richter aus Hasle im Entlebuch, dem man enorme Kraft und grosse Gewandtheit nachsagt. Oder der legendäre Christian Wüthrich, genannt «Milpacher Chrigel», ein Truber von immenser Bärenkraft. Zwischen 1780 und 1793 soll er auf der Grossen Schanze dreizehnmal hintereinander gesiegt haben – eine Rekordserie. Das habe dem Schwingen im Emmental zu starkem Auftrieb verholfen.

Am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 1895 in Biel wurde der Titel «Schwingerkönig» erstmals offiziell vergeben. Seither wurde er 48-mal verliehen. In den Anfangszeiten kam es zu verschiedenen Besonderheiten. In den Jahren 1898 und 1900 etwa gab es zwei Sieger, 1945 und 1950 gar keinen. Beim zweiten Eidgenössischen Schwingfest siegte Alfons Thurneysen aus dem Elsass. Dass ein Franzose obenaus schwang, passte damals nicht in das Bild des traditionellen Nationalsports. Erst 32 Jahre später wurde ihm der Königstitel offiziell zugesprochen. In Grenchen, im Jahr 1950, kämpften Peter Vogt und Walter Flach 35 Minuten lang – am Ende resultiere ein ereignisloser «Gestellter». Das Publikum war enttäuscht, der Titel unbesetzt. In den 1940er-Jahren wurde der Begriff des «Erstgekrönten» eingeführt – ein Titel für den punktgleichen, aber im Schlussgang unterlegenen Schwinger. 1989 in Stans trug Eugen Hasler diesen Titel, 2019 war es Joel Wicki, bevor er drei Jahre später ganz oben stand.


Für immer gekrönt

Im Schwingsport gibt es keine Ex-Schwingerkönige. Wer einmal König geworden ist, behält diesen Titel für immer. Eine goldene Krone gibt es nicht, dafür den traditionellen Kranz aus Eichenlaub, ein Symbol für Stärke und Beständigkeit. Die ganz Grossen des Sports haben die Königswürde sogar mehrfach errungen: Hans Stucki (1900, 1902, 1905), Ruedi Hunsperger (1966, 1969, 1974) und Jörg Abderhalden (1998, 2004, 2007) sind so etwas wie die Kaiser unter den Königen.

Während die Männer seit 1895 ihren Königstitel zelebrieren, dauerte es fast ein Jahrhundert, bis auch die Frauen eine offizielle Plattform erhielten. 1992 wurde der Eidgenössische Frauenschwingverband gegründet. Schwingerkönigin wird, wer über das ganze Jahr hinweg die höchste Punktzahl holt – ein jährlicher Titel, nicht an ein einzelnes Fest gebunden. Bereits mehrmals nahe an diesem Titel stand die 25-jährige Jasmin Gäumann aus Häutligen. «Seit ich klein bin, möchte ich Schwingerkönigin werden.» In den Jahreswertungen der letzten beiden Jahre belegte Gäumann den 2. Schlussrang. Der Titel wäre für sie ein persönlicher Meilenstein, doch grosse Veränderungen erwartet sie nicht: «Vielleicht würde ich ein, zwei Sponsoren finden. Der Frauenschwingsport ist noch immer weit weniger populär als der der Männer.»

In diesem Jahr steht das nächste Eidgenössische Schwing- und Älplerfest an – und mit ihm die nächste Krönung. Vielleicht wird es ein neuer Name sein, der in die ehrwürdige Liste der 48 bisherigen Schwingerkönige eingraviert wird. Vielleicht holt sich Wicki den Titel zum zweiten Mal. Und vielleicht wird Jasmin Gäumann endlich ganz oben stehen. Spannung ist garantiert – und mit ihr die lebhaften Diskussionen im Schwingervolk.

17.07.2025 :: Sandra Joder (sjw)