Heinz Horat zeigt die Glaskunst des Waldemmentals, assistiert von seiner Enkelin. / Bild: Beatrice Keck (keb)
Flühli: Anlässlich des ersten Kantonalen Kulturerbetages führte die Kantonsarchäologie Luzern eine Exkursion zur ehemaligen Glashütte Egglenen bei Flühli durch.
Das Entlebuch muss schon früh von Glasbläsern besiedelt worden sein. So wird bereits 1433 die in der heutigen Gemeinde Flühli liegende Liegenschaft Glashütten erwähnt. Die Blüte der Glaserei begann 1723 mit den Gebrüdern Siegwart. Sie stammten aus dem Schwarzwald und fanden im Waldemmental beim Südel nahe bei Sörenberg einen idealen Standort für ihr Metier. «Glasbläser benötigten viel Holz, Wasserläufe als praktische Transportwege sowie Quarzsand als wichtigsten Rohstoff», erklärte Kunsthistoriker Heinz Horat an der Exkursion. Sobald die Waldvorräte abge-holzt waren, verschoben die Glasbläser ihren Standort. «Im Waldemmental wurden von 1793 bis zum Jahr 1869 insgesamt fünf Glashütten betrieben», so Horat.
Wald-Glashütten Egglenen und Kragen
Nach der Glashütte Südel, die 37 Jahre lang betrieben wurde, war der zweite Standort der Gebrüder Siegwart für sieben Jahre die Niederlassung im Sörenbergli. 1768 siedelten sich die Glaser dann in Egglenen bei Flühli an. Auf einem Plateau von 12 auf 15 Metern, knapp über dem Seebenbach, der sich aus dem Kessiloch ergiesst, errichteten die Gebrüder insgesamt zwölf Glaserhäuser. «Was aber bewog die Glaser, sich an einer so abgelegenen Stelle niederzulassen?», fragte Heinz Horat. Um gleich die Antwort zu liefern: «Man verlegte die Produktion dorthin, wo reiche Holzvorräte zur Verfügung standen, nämlich in den Wald.» Diese Produktionsstätten nennt man folglich Wald-Glashütten. «Zudem», fuhr Horat fort, «führte im 18. Jahrhundert der Handelsweg von Egglenen über den Sattelpass nach Obwalden, aber auch nach Luzern und ins Berner Oberland.»
1781 wurde die Glashütte nach Kragen verlegt, wo die grösste je im Entlebuch betriebene Glaserei entstand. Zur Glasersiedlung im Kragen gehörte auch eine dem Heiligen Michael geweihte Kapelle, deren Glocke sich heute in der Glashütte Hergiswil befindet. Weiter gehörte ein Wirtshaus zur Glasersiedlung. Da vor 1848 die Kantone noch eigenständig waren, fielen entsprechend Zölle an. Die Zollstätte für Waren, die nach Obwalden geliefert wurden, befand sich ebenfalls im Wirtshaus. Der nahe gelegenen Schwefelquelle ist es zu verdanken, dass im Kragen jahrhundertelang auch ein Schwefelbad bestand.
Aufwändige Forschungsarbeiten
Wenn immer möglich wurden das Holz der Hüttenkonstruktion und die wertvollen Schamottensteine, in denen das Glas geschmolzen wurde, beim Verlegen der Glaserei vollständig abgebaut und am neuen Standort wieder benutzt. So kommt es, dass heute von den Glashütten oder den Ofenanlagen nichts mehr zu sehen ist.
«Aus persönlichem Interesse und gestützt auf altes Kartenmaterial, auf dem Glashütten eingezeichnet waren, begann ich im Gebiet Egglenen einfach mal so zu graben», berichtete Heinz Horat. «Und tatsächlich, schon bald fand ich alte Glasscherben.» Daraufhin wurden mit Hilfe des Bundes offizielle Grabungen durchgeführt, und man stiess auf erstaunliche Funde. «Dank diesen weiss man heute, dass die Glasmeister in Egglenen mit ein-fachsten Mitteln Glas von ausserordentliche Vielfalt und erstaunlicher Qualität herstellten.» Anhand von Glasfundstücken, die er den interessierten Exkursionsteilnehmenden zeigte, erklärte Horat, dass in Egglenen neben Fensterglas und grünen Flaschen auch Trinkgläser, Karaffen, Vasen, Flacons und Laborgefässe entstanden. Unter Beifügung chemischer Zusätze konnte das Glas zu violettem Manganglas, blauem Kobaltglas oder porzellanweissem Opalglas gefärbt werden. Das Glas wurde zudem von Glasmalern kunstvoll bemalt.
Das Ende der Glasbläserei
Der Holzverbrauch und damit die Abholzung durch die Glasbläsereien sei enorm gewesen. Kein Wunder, dass die Entlebucher bereits gegen Ende das 18. Jahrhunderts beim Rat zu Luzern reklamierten, die Glashütten würden die Wälder zerstören und die Erosion des Landes fördern. «Aber», ergänzte Horat, «150 Entlebucher reichten gleichzeitig eine Petition ein, dass die Glasbläser bleiben sollen.» Viele Menschen waren von diesem Gewerbe abhängig. Angefangen bei Holzhackern über die Flösser zu den Sandwäschern, Glasträgern bis zu den Wirtshäusern im Tal. Nachdem noch eine letzte Glashütte beim Thorbach nahe beim Dorf Flühli erstellt worden war, zogen die Glasbläser mangels Rohstoffen 1869 endgültig weiter nach Hergiswil am Vierwaldstättersee.