Getreideernte um 1938; Für die vielen Arbeitsschritte waren entsprechend viele Leute nötig - und daheim in der Scheune ging die Arbeit weiter. / Bild: zvg
Kanton Bern: 2026 ist Schluss; Der Bernische Verband Landwirtschaftlicher Angestellter leidet unter Mitgliedermangel. Einst hatte er über 30 Sektionen und zählte 1000 Mitglieder.
Die Anfänge des Bernischen Verbands Landwirtschaftlicher Angestellter (BVLA) reichen bis in die späten 1930er-Jahre zurück. Immer mehr Angestellte von Landwirtschaftsbetrieben wollten sich zusammenschliessen, um für ihre Rechte einstehen zu können - ähnlich wie dies Gewerkschaften in Gewerbe und Industrie bereits seit einigen Jahrzehnten taten. «Sie hofften auf Selbsthilfe untereinander, verbesserte Anstellungsverhältnisse und die Aufwertung der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft», schreibt der Verband. Zunächst bildeten sich im Kanton Bern regionale Vereine, die binnen kurzer Zeit über mehrere hundert Mitglieder vereinten. Am 27. September 1942 haben deren Vereinsdelegierte in Schönbühl den damaligen Bernischen Dienstbotenverband gegründet. Der Verband gedieh und zählte 33 Sektionen mit über 1000 Mitgliedern. So aufgestellt, war der Verband ein ernst zu nehmender Verhandlungspartner. «In den Folgejahren haben sich unsere Verbandspräsidenten mit dem Berner Bauernverband - stets unter dem neutralen, wachsamen Auge der OGG (Oekonomische gemeinnützige Gesellschaft) - zu Verhandlungen getroffen», schreibt der BVLA weiter. «Diese fanden stets auf Augenhöhe und mit Sachverstand auf beiden Seiten statt. Die vereinbarten Richtlinien der Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen waren lange massgebend für die ganze Schweiz und das angrenzende Ausland.»
Der Zahn der Zeit
Seit den Gründungsjahren des Verbands mit rund 1000 Mitgliedern sind die Zahlen stets rückläufig. 1965 gehörten noch 623 Angestellte dem Verband an; im Jahr 1982 lag ihre Zahl bei 282 und im Jahr 2017 waren es noch 75 Mitglieder. Einer der Hauptgründe für diesen Rückgang ist die Mechanisierung der Landwirtschaft. Während einst beispielsweise für die Getreideernte ganze Heerscharen beschäftigt wurden, wird diese Arbeit heute dank moderner und grosser Maschinen von wenigen Leuten erledigt. Aktuell sind auf der Mitgliederliste des Verbands zwar noch 35 Namen aufgeführt - richtig auf einem landwirtschaftlichen Betrieb tätig sind aber nur noch deren drei! Bei den restlichen Mitgliedern handelt es sich um ehemalige Angestellte, die aus Solidarität und wegen der Kameradschaft nach wie vor dazu angehören. Auf das kommende Jahr hin plant der Verband nun seine Auflösung.
Erntehelfer aus dem Ausland
«Es ist eine Zeiterscheinung», bringt BVLA-Präsident Hannes Seiler die Entwicklung auf den Punkt. Der 58-Jährige ist selber seit 30 Jahren auf einem Landwirtschaftsbetrieb angestellt. «Aber das ist die Ausnahme», erklärt er. «Heute werden Erntehelfer für zwei, drei Wochen aufgeboten. Viele von ihnen stammen aus dem Ausland.» Könnten diese nicht für eine Mitgliedschaft gewonnen werden? «Meine Erfahrung ist, dass diese Erntehelferinnen und -helfer jeden Franken nach Hause schicken wollen», sagt Seiler. «Und sie haben sich anders organisiert. Sie wissen durch ihr Netzwerk, wo man wie viel verdient. Entsprechend wählen sie den Arbeitgeber aus.» Aktuell sei es so, dass Arbeitskräfte gesucht sind. Daher sei der Druck, sich einer Gewerkschaft anzuschliessen, eher gering. Insbesondere Personen, die komplexe Geräte bedienen oder ganze Betriebe führen könnten, seien sehr rar, beziehungsweise wanderten wegen besserer Verdienstmöglichkeiten in andere Branchen ab. Auf nationaler Ebene besteht weiterhin die Arbeitsgemeinschaft Berufsverbände Landwirtschaftlicher Angestellter (ABLA). Mit dem Ende des bernischen Verbands wird die ABLA aber ein wichtiges Mitglied verlieren. In der Ostschweiz bestehen noch regionale Verbände. «Aber auch bei ihnen sind die Mitgliederzahlen stark rückläufig», weiss Hannes Seiler.