Vor der mit Gfeller-Buchumschlägen tapezierten Wand: Präsidentin Elisabeth Schenk Jenzer und Historiker Jürg Rettenmund. / Bild: Bettina Haldemann-Bürgi (bhl)
Heimisbach: Die Simon Gfeller Stiftung feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Präsidentin Elisabeth Schenk Jenzer und Ausstellungsmacher Jürg Rettenmund über die Bedeutung des Dichters.
Warum engagieren Sie sich in der Simon Gfeller Stiftung?
Elisabeth Schenk Jenzer: Weil Simon Gfeller in Mundart gedichtet hat. Die Mundart war für ihn die Sprache der Dichtung, das Hochdeutsch dagegen eher Standartsprache. Seit meiner Jugend liebe ich Mundartbücher wie die Romane von Rudolf von Tavel. Mit Simon Gfeller setzte ich mich erst später auseinander, als ich in den Stiftungsrat gewählt wurde. Simon Gfeller ist nicht der grösste Dichter der Welt, aber er hat einige Texte geschrieben, die richtig gut sind. Beispielsweise «Heimisbach» oder der «Zwölfischlegel». In Letzterem erlebt ein Obdachloser Weihnachten in der Stube einer Bauernfamilie. Die Familie nimmt den Trinker an, so wie er ist. Simon Gfeller zeichnet dort ein menschliches Bild, das der heutigen Auffassung entspricht. Jürg Rettenmund: «Für mich als Historiker, der sich für die Lokal-geschichte interessiert, sind Simon Gfellers Texte sehr lehrreich. Gfeller bemühte sich, die bäuerliche Welt möglichst genau und wirklichkeitsnah darzustellen. Seine Texte sind voll von volkskundlichen Fakten. Beispielsweise in «Mi erschte Wienechtsbaum» erfahre ich, dass einer der ersten Weihnachtsbäume, die im 19. Jahrhundert Mode wurden, im Schulhaus stand und dass alle den geschmückten Tannenbaum sehen wollten.»
Was fasziniert Sie weiter an Simon Gfeller?
Jürg Rettenmund: «Simon Gfeller war ein integrer Mensch. Er sprach sich entschieden gegen den Nationalsozialismus aus und nahm, anders als viele konservative Dichter aus der Schweiz, in dieser Zeit nicht mehr an alemannischen Tagungen in Deutschland teil. Zudem waren seine Bücher so lebensnah geschrieben, dass sich die Emmentaler Bevölkerung darin widergespiegelt sah. Dass die Dürrgräbeler 1968 ihren Ort in Heimisbach umtauften, ist einmalig in der Geschichte.» Elisabeth Schenk Jenzer: «Ich schätze Simon Gfeller besonders als Lehrerpersönlichkeit. Er hat viele gescheite Dinge gesagt. Beispielsweise hielt er fest, dass die Schriftstellerei ihm beim Unterrichten geholfen habe. Die kreative Arbeit habe ihn näher an die Kinder herangebracht. Als ehemalige Lehrerin finde ich diese Beobachtung interessant. Andere Sätze wie «man muss die Kinder dort abholen, wo sie sind», sind erstaunlich modern.»
Aber hat Simon Gfeller nicht die Augen vor dem Negativen verschlossen? Beispielsweise hat er das Verdingwesen kaum thematisiert.
Elisabeth Schenk Jenzer: «Doch. In der Geschichte «Schachelüt» schildert er das Elend der Armut und in einer anderen Geschichte das traurige Schicksal eines Verdingbubs. Aber diese Themen lagen ihm nicht. Simon Gfeller war Realist, kein Naturalist. Er sah das Gute im Menschen und das wollte er beschreiben.»
Wie sieht die Zukunft der Stiftung aus?
Elisabeth Schenk Jenzer: Wenn sich einst eine Nachfolge finden lässt, wird die Stiftung weiter bestehen. Vorderhand denken wir nicht ans Aufhören. Die Arbeit, auch wenn sie gross ist, macht uns Freude und beschert uns viele bereichernde Begegnungen.»