In LEA Leseklubs lesen verschiedenste Menschen gemeinsam – wie hier in Biel. / Bild: zvg
Langnau: In LEA Leseklubs treffen sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zum gemeinsamen Lesen. Auch in Langnau wird zurzeit eine inklusive Lesegruppe aufgebaut.
LEA ist die Abkürzung für «Lesen einmal anders». Bei diesem Projekt lesen Erwachsene mit und ohne Beeinträchtigung
gemeinsam Bücher. Alle lesen der Reihe nach rund eine halbe Seite aus dem gleichen Buch laut vor. Schwierige Wörter
werden laufend erklärt. Anschliessend wird über das Gelesene gesprochen. «Dabei entwickeln sich häufig schöne und
eindrückliche Gespräche», erzählt Judith Mayencourt.
Judith Mayencourt ist pensionierte Heilpädagogin. Sie hat 2023 in Biel gemeinsam mit der Stadtbibliothek und Insieme
Biel Seeland den ersten LEA Leseklub der Schweiz gegründet. Das Konzept wurde ursprünglich in Deutschland
entwickelt, wo es inzwischen mehr als 50 solche Klubs gibt. Mayencourt unterstützt nun in der Schweiz andere
inklusive Lesegruppen beim Aufbau – zum Beispiel in Langnau.
Gruppe in Langnau ab Sommer 2025
Nach Biel, Thun, Rüti (ZH) und Bern will die Regionalbibliothek Langnau als fünfter Ort schweizweit einen LEA
Leseklub anbieten. «Wir wollen Menschen mit unterschiedlichen Leseerfahrungen eine Möglichkeit bieten, sich
gemeinsam mit Literatur zu beschäftigen und Lesefreude zu teilen», sagt Bibliotheksleiterin Ursula Strahm. Die
Initiative, auch in Langnau eine inklusive Lesegruppe zu gründen, sei von einer Kundin ausgegangen. Unterstützt wird
das Projekt von der Selbsthilfeorganisation Insieme. Geplant sei, dass sich die Gruppe ab dem 20. August jeweils
mittwochs alle 14 Tage für eine Stunde treffen werde. Die Teilnahme ist kostenlos.
«In LEA Leseklubs können alle Personen mitmachen, auch solche, die kaum oder gar nicht lesen können», erklärt Judith
Mayencourt. Diese Personen werden von einer Mitleserin oder einem Mitleser unterstützt. Dazu gebe es verschiedene
Techniken, erklärt die Expertin. Beim sogenannten Echo-Lesen wird jedes Wort des Mitlesenden nachgesprochen. Eine
andere Methode ist das Tandem-Lesen. Dabei lesen beide Personen ganz langsam zusammen den Text vor.
Das Mitlesen übernehmen Freiwillige. In Langnau konnten laut Ursula Strahm dafür bereits elf Personen gefunden werden. Sie haben sich schon zu einer
Schulung getroffen. Besondere Vorkenntnisse brauche man als Mitleserin nicht, sagt Judith Mayencourt. «Man sollte
selbst gerne lesen und keine Angst vor Begegnungen mit Menschen mit Beeinträchtigung haben.» Und: Es sei wichtig,
dass alle Mitleserinnen und Mitleser auch selbst sehr langsam vorlesen würden, damit Langsamleser folgen
könnten. Der nächste Schritt in Langnau sei nun, interessierte Teilnehmende für die Gruppe zu finden, so
Strahm.
Bücher in Einfacher Sprache
Gelesen werden in LEA Leseklubs Bücher, die in Einfacher Sprache verfasst sind. Einfache Sprache nutzt kurze Sätze
meist ohne Kommas. Fremdwörter werden möglichst vermieden oder erklärt. Auch Abkürzungen sind nicht erlaubt. Die
Bücher verwenden zudem oft eine grössere Schrift und weniger breite Zeilen. Diese Strukturierung erleichtert das
Lesen. «Glücklicherweise gibt es mittlerweile recht viele Bücher, auch Klassiker, die in Einfache Sprache übersetzt
worden sind», sagt Judith Mayencourt.
Es geht auch ums Soziale
Lesen zu lernen, sei kein vorrangiges Ziel des Konzeptes, erklärt Judith Mayencourt. Vielmehr soll der LEA Leseklub
Menschen mit Beeinträchtigung eine kulturelle Teilhabe ermöglichen. «Viele dieser Personen haben Interesse an
Geschichten und Büchern.» Und es gehe auch um den sozialen Aspekt. «Gerade Menschen aus Institutionen haben so die
Gelegenheit, rauszukommen und neue Leute zu treffen.» Daher sei es wichtig, dass die Treffen an einem öffentlichen
Ort stattfinden, zum Beispiel in einer Bibliothek, einer Buchhandlung oder einem Café. Dies fördere auch in der
Gemeinde das Bewusstsein dafür, dass Menschen mit Beeinträchtigung Teil der Gesellschaft sind.