Trösten, zuhören, beten, diskutieren - der Pfarrer hat für alle Zeit

Trösten, zuhören, beten, diskutieren - der Pfarrer hat für alle Zeit
Anna Gfeller freut sich über den Besuch von Pfarrer Roland Langenegger. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Oberdiessbach: Pfarrer Roland Langenegger ist im Pflegeheim Kastanienpark in Teilzeit als Heimseelsorger angestellt. Die Kantonalkirche will solche Kooperationen fördern.

An diesem Mittwochnachmittag ist niemand unterwegs in den Gängen des Kastanienparks. Auch die Sitzecken sind leer. «Manchmal treffe ich hier eine Gruppe Bewohnerinnen und Bewohner an. Dann setze ich mich zu ihnen und komme ins Gespräch», sagt Roland Langenegger. Er ist Pfarrer der Kirchgemeinde Oberdiessbach und jeden Mittwoch und Freitag einen halben Tag im Kastanienpark. Vor dem Zimmer von Anna Gfeller bleibt er stehen, klopft an und öffnet die Türe. «Haben Sie Zeit für ein ‹Bsüechli›?», fragt er die Frau auf dem Sofa. «Ja, chömet nume», erfolgt die prompte Antwort. Langenegger erkundigt sich nach dem Befinden. «Danke, es geht», meint die 93-Jährige. Sie habe halt viele «Bräschte» und leide unter den Nebenwirkungen der Medikamente. «Aber ohne würde ich die Schmerzen nicht aushalten.
Ja, es ist manchmal nicht einfach, den Lebensmut zu behalten.»


Spiritualität – ein wichtiges Thema

Der Kastanienpark hat das Angebot «Lebensberatung für Menschen im Alter» vor zwei Jahren geschaffen; zuerst als Pilotprojekt, nun ist es definitiv eingeführt worden. Die Kosten für das 20-Prozent-Pensum teilen sich das Pflegeheim und die Kirchgemeinde Oberdiessbach. Die Kantonalkirche möchte eine solche Zusammenarbeit auch in anderen Institutionen etablieren (siehe Kasten). Im hohen Alter werde ein Mensch nochmal zentral in seinem Leben herausgefordert, sagt Marcel Lüthi, Direktor des Kastanienparks. «Die spi­rituelle Begleitung ist ein wichtiger Bestandteil am Ende des Lebens.» Das Angebot sei niederschwellig, regelmässig und es komme immer dieselbe Pfarrperson; das schaffe Vertrau­en. Er sei froh, dass Roland Langenegger zugesagt habe. «Die Gene­ration, die heute im Heim lebt, ist oft stark mit dem Glauben verbunden, erklärt Lüthi. Auch die Frage nach Schuld und Vergebung seien traditionell christliche Themen. «Da ist der Pfarrer ein wichtiger Beistand und kann Trost spenden, aber auch helfen, ein Ja zu finden zur Situation und zur Endlichkeit», ist Marcel Lüthi überzeugt. Gleichzeitig betont er, dass sich das Angebot an alle Bewohnerinnen und Bewohner richte und sich nicht auf Glaubensfragen beschränke.


Auf die Menschen zugehen

Roland Langenegger ist gerne mit alten Menschen zusammen, «ich habe einen guten Draht zu ihnen». Deshalb habe er diese Aufgabe gerne übernommen und absolviere nun eine entsprechende Weiterbildung. Ein grosser Vorteil seiner Anstellung sei, dass er an den beiden Halbtagen verbindlich im Haus sei. «Mit mir muss man keinen Termin vereinbaren, ich gehe aktiv auf die Menschen zu und stelle ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt.» Diese seien sehr unterschiedlich. Auf Wunsch spreche er ein Gebet, lese aus der Bibel vor und erzähle von seiner Glaubensüberzeugung, seiner Hoffnung auf Vergebung und ein Leben nach dem Tod. Aber er diskutiere auch über die Wiedergeburt, das Wetter oder die Lauberhornabfahrt. Oft sei er einfach da und höre zu. «Mit der Zeit öffnen sich die Menschen und erzählen mir aus ihrem Leben. Wichtig ist mir, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen», betont Langenegger. So wie bei Anna Gfeller. «Alt werden ist nichts für Feiglinge», meint er in Bezug auf ihre Situation. Ob es denn Momente gebe, in denen sie es etwas leichter habe? «Ja, wenn ich lese, Musik höre oder jasse, dann vergesse ich es.»

Die Heimseelsorge einheitlich organisieren

«Der Kastanienpark Oberdiessbach ist ein Pionierbetrieb», sagt Claudia Graf, Beauftragte für Spezialseelsorge und Palliative Care der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Dies, weil die Heimleitung aktiv die Kooperation mit der Kirchgemeinde gesucht habe und einen Teil der Finanzierung übernehme. Die Kirche will nun auch andere Alters- und Pflegeheime für eine solche Zusammenarbeit gewinnen. «Auf Anfang Jahr ist ein Konzept in Kraft gesetzt und die Stelle eines Beauftragten für Heimseelsorge geschaffen worden», sagt Graf. Bereits heute sei es üblich, dass die Gemeindepfarrerin Besuche mache im Altersheim vor Ort, da werde tolle Arbeit geleistet. Diese sei jedoch sehr unterschiedlich geregelt und hänge stark von den Gegebenheiten ab, so Graf. In Heimen ab 100 Betten finanziere die

Kirche schon heute eine gewisse Anzahl Stellenprozente. Neu liege diese Grenze bei 50 Betten. «Unser Ziel ist eine Stärkung der Heimseelsorge und die vermehrte Zusammenarbeit zwischen Kirche und Heimen, unter anderem durch eine Co-Finanzierung», erklärt Claudia Graf. Die Heimseelsorge solle insti-tutionalisiert werden, das Angebot regelmässig und zu festen Zeiten allen Bewohnenden zur Verfügung stehen. «Sie sollen eine Vertrauensperson beiziehen können, die gut integriert ist im Heim und den Fokus auf die spirituelle Dimension richten kann», führt Claudia Graf aus.

30.01.2025 :: Silvia Wullschläger (sws)