Eine etwas andere Kohle

Eine etwas andere Kohle
Im Kurs lernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Pflanzenkohle selbst herzustellen. / Bild: Rebekka Schüpbach (srz)
Schüpfheim: Pflanzenkohle ist vielfältig: Sie speichert Wasser und Nährstoffe, gilt als klimafreundlich und wird sogar an Tiere verfüttert. Und sie bleibt sehr lange im Boden.

Auf dem Hof «Under Lindenbüel» riecht es nach Lagerfeuer. Eine Gruppe von Menschen verschiedenen Alters, in Windjacken und Mützen gehüllt, versammelt sich um eine der «Kon-Tiki» genannten Feuerstellen. Diese wurden speziell zur Herstellung von Pflanzenkohle entwickelt. Kursleiter Raphael Beck zündet einen kleinen Turm aus dünnen Holzscheitern an und erläutert: «Wenn er richtig brennt, legen wir Holz nach.» Holz ist wohl das am häufigsten verwendete Ausgangsmaterial für Pflanzenkohle. Grundsätzlich eignet sich jedoch alles naturbelassene Schnittgut aus Wald, Wiese und Garten. Nicht zu dick darf es sein, damit es richtig verkohlt, und möglichst trocken wegen der Rauchentwicklung. Nur unbehandeltes Material ist erlaubt. Schadstoffe jeglicher Art könnten sonst in der Kohle verbleiben und sich später im Boden anreichern – für eine sehr lange Zeit. Es dauert nämlich bis zu 1000 Jahre, bis sich Pflanzenkohle im Boden zersetzt hat. Entsprechend zurückhaltend ist das Bundesamt für Umwelt mit Empfehlungen für die Landwirtschaft. Auf dem Merkblatt zum Thema ist zu lesen, dass die Langzeitfolgen noch zu wenig erforscht seien, um die Pflanzenkohle für den grossflächigen Einsatz vorbehaltslos empfehlen zu können. Zudem müssten die Auswirkung auf die hiesigen Böden und Bodelebewesen noch genauer erforscht werden. Zu viel Kohle könne etwa Bodentieren, wie dem Regenwurm, schaden. Ausserdem sei bisher keine besondere Ertragssteigerung bei unseren Böden festgestellt worden und wirtschaftlich sei das Ganze auch nicht.


Sie wirkt wie ein Schwamm

Weniger kritisch sehen dies Menschen wie Raphael Beck. Schon lange experimentiert der Belebungsgestalter mit Erdmischungen, die besonders fruchtbar und nachhaltig sein sollen. Seit sechs Jahren bietet er nun Kurse zur Herstellung von Pflanzenkohle an. Als Mitglied des Schweizer Fachverbands für Pflanzenkohle (Charnet) ist er von deren Potenzial überzeugt – nicht zuletzt durch eigene Erfahrungen. Die Kohle selbst hat zwar keinen Nährwert. Sie ist jedoch sehr porös: Ein Gramm davon hat eine spezifische Oberfläche von bis zu 300 Quadratmetern. Dadurch wirkt sie wie ein Schwamm und kann viel Wasser und Nährstoffe speichern. Ideal also für trockene Jahre oder als Nährstoffdepot für Pflanzen. Zudem biete sie allerlei Kleinstlebewesen Unterschlupf und sie sei gut fürs Klima, sagt Beck. «Weil sie grösstenteils aus Kohlenstoff besteht und sich kaum zersetzt, bindet sie das CO2 dauerhaft im Boden.» Nicht nur dort, sondern auch im Tiermagen kann Kohle Flüssigkeit binden. Sie wird beispielsweise bei Durchfallerkrankungen eingesetzt. Inzwischen brennen die Kohlefeuer auf dem Bauernhof lichterloh, die sogenannte Pyrolyse ist in vollem Gange. Im unteren Bereich der Feuer herrschen Temperaturen von rund 450 bis 700 Grad. Mittendrin fehlt der Sauerstoff. Deshalb verbrennt das Holz dort nicht sofort, sondern verkohlt.


Es geht auch ums Erlebnis

Für den Kursleiter geht es nicht nur darum, Kohle herzustellen, sondern auch um das gemeinsame Erlebnis. Alle arbeiteten zusammen auf ein Ziel hin. Und zwar draussen in der Natur um die Feuer herum, und dies über Stunden. Dadurch entstünden oft sehr interessante Gespräche. Tatsächlich sind an diesem Samstag die verschiedensten Leute nach Schüpfheim gekommen: Gärtner, Förster und Kleinbauern, die sich mit der Pflanzenkohle vertraut machen wollen, Gartenbesitzerinnen, die schon Erfahrung mit der Kohle haben, sie bisher jedoch immer kauften. Einige besuchen den Kurs nur für sich selbst, andere planen, ihr Wissen als Gartencoach an Dritte weiterzugeben. So umtriebig wie die Teilnehmer und Leiter sind, sind es auch die Organisatoren des Kurses, Desirée Renggli und Thomas Schmid. Sie möchten in Schüpfheim unter dem Label «umtriebig» verschiedene Ideen initiieren. Auf dem Bauernhof von Andreas Schmid konnten die beiden den Kurs nun zum ersten Mal durchführen. Für den Landwirt ist Pflanzenkohle noch Neuland. Er kann sich aber einen Versuch damit schon vorstellen. Beispielsweise um den Mist aufzuwerten oder als Futterzusatz. Die Feuer brennen nur noch leicht. Zeit, den Prozess zu beenden. Mit Wasser wird die Kohle nun geflutet: entweder von unten her durch einen Wasseranschluss oder ganz klassisch von oben. Danach wird das Wasser wieder abgelassen oder es versickert. «Zu Hause müsst ihr die Kohle noch trocknen und dann zerkleinern», erklärt Beck. Das Wichtigste aber kommt erst danach. Man darf die Kohle nie mit Erde mischen, ohne sie vorher zu «aktivieren». Das heisst, ihre Poren mit Nährstoffen, zum Beispiel Urin, Brennnesseljauche oder ähnlichem, zu füllen. Sonst entzieht sie die Nährstoffe dem Boden und hemmt das Pflanzenwachstum. Wenn man die Kohle hingegen verfüttert oder als Zusatz in der Einstreu benötigt, aktiviert sie sich von selbst. Ob Pflanzenkohle jetzt ein Wundermittel ist oder doch nicht, muss wohl jeder selbst ausprobieren. «Macht doch einen Versuch mit angesetzten Töpfen», empfiehlt Raphael Beck seinen Kurteilnehmerinnen und Teilnehmern. Für den Grill taugt Pflanzenkohle übrigens nicht: Sie ist viel brüchiger als Holzkohle und wird anders hergestellt. Holzkohle ist zudem giftig, Pflanzenkohle kann man hingegen in kleinen Mengen sogar essen.

07.11.2024 :: Rebekka Schüpbach (srz)