Wald, Magerwiese, Dinkel – die Produktion von Lebensmitteln und die Natur liegen eng beieinander. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Abstimmung: Erneut gelangt eine Initiative zur Abstimmung, bei der die Landwirtschaft im Zentrum steht: die Biodiversitätsinitiative. Was sagen zwei Bauern dazu?
Sie kommen sofort miteinander ins Gespräch, wie das bei Bauern so üblich ist. Dabei haben sich Christian Buri und Beat Gerber vorher nie gesehen. Das Einzige, was sie voneinander wissen, ist, dass das Gegenüber bei der Biodiversitätsinitiative (siehe Kasten) anders stimmen wird.
Beide sind seit Jahrzehnten Bauern und wissen vieles zu berichten. Bei beiden ist bereits aufgegleist, wie es mit den Heimet weitergehen wird.
Beat Gerber (57) führt das Heimwesen Giebel, Langnau, gemeinsam mit seinem Sohn, Adrian, in einer Generationengemeinschaft. Sie halten 40 Kühe, 500 Mastschweine, produzieren Saatkartoffeln und auch Energie, unter anderem mit einer Biogasanlage. Beat Gerber amtet weiter als Gemeinderat von Langnau und ist Präsident von Landwirtschaft Emmental, der lokalen Sektion des Bauernverbandes, welcher sich gegen die Initiative ausspricht.
Christian Buri (64) seinerseits engagiert sich im Ja-Komitee: «Die Natur steht mit dem Rücken zur Wand. Daher finde ich alles gut, was der Natur hilft.» Neun Mutterkühe, 24 Mastschweine und Getreide sind die Hauptstandbeine des Betriebs «Winkel» in Konolfingen, wobei vieles direkt vermarktet wird. Auch bieten die Buris Bed & Breakfast an. Sohn Andreas will den Biobetrieb weiterführen.
Qualität statt Quantität
«Ja, wir haben Arten verloren», räumt Beat Gerber ein. «Aus meiner Sicht bringt es aber nicht viel, wenn wir einfach mehr Flächen zugunsten der Natur schaffen. Das Problem ist nicht ein quantitatives, sondern ein qualitatives.» Gerber verweist auf die Studie des Biologen Marcel Züger, die der Schweizerische Bauernverband in Auftrag gegeben hat. «Hinzu kommt, dass diese Flächen dann für die Produktion von Lebensmitteln fehlen. Schliesslich wollen auch alle dreimal pro Tag etwas essen», gibt Gerber zu bedenken.
«Die Studie ist gut», meint überraschenderweise auch Christian Buri. «Sie zeigt viele wunde Punkte auf. Schlecht ist, was der Bauernverband daraus macht. Er nimmt nur die Argumente auf, die ihm passen.» Was findet Buri denn gut an der Studie? «Dass die Qualität der ökologischen Elemente besser werden muss.» Beispielsweise habe die alte Regelung, wonach Magerwiesen, sogenannte extensive Wiesen, erst ab einem bestimmten Datum gemäht werden können, nicht dazu geführt, dass die Wiesen artenreicher wurden. «Solche Regelungen sind unsinnig. Entscheidend ist, dass die Bewirtschaftung so ist, dass die Ökologie profitiert», meint Christian Buri; Beat Gerber nickt zustimmend. Auf seinem Betrieb hat Buri eine extensive Wiese, auf der besonders viele Blumen und Gräser wachsen. «Heuer konnte ich dort trotz des vielen Regens recht viel und schmackhaftes Heu ernten. Buri will noch mehr für die Natur tun. In einem moosigen Gebiet plant er eine Feuchtwiese anzulegen. «Die Bewilligung dafür zu erhalten, ist aber gar nicht einfach», hat er die Erfahrung gemacht.
Noch mehr Beschränkungen
Beat Gerber befürchtet, dass mit der Initiative die Landbevölkerung generell mit mehr Einschränkungen konfrontiert würde. Einer der drei Punkte, die in die Verfassung aufgenommen werden sollen, lautet «dass die Natur, die Landschaft und das baukulturelle Erbe (...) geschont werden».
«Da haben wir schon jetzt zig Einschränkungen», sagt Gerber und nennt ein konkretes Beispiel. «Ein Landwirt, übrigens ein Bio-Bauer, möchte einen neuen Stall bauen. Um den tiergerechten Laufstall unterbringen zu können, wollte er den Ökonomieteil seines Bauernhauses erweitern. Das Gebäude würde zu gross und füge sich nicht in die Landschaft ein, kritisierten die Bewilligungsbehörden», berichtet Gerber. Eine zweite Variante mit einem externen Gebäude konnte auch nicht realisiert werden, weil der Standort zu nahe am Wald liege – eine für den Bauern praktikable Lösung sei bis heute nicht gefunden worden.
Christian Buri hat Verständnis für dieses Dilemma, glaubt aber nicht, dass die Initiative für verschärfte Regelungen sorgen würde. «Biodiversität und Landschaft gehör halt zusammen», meint Buri und zeigt ein Bild aus einem Heft, das eine kleinstrukturierte Landschaft zeigt mit Äckern und Wiesen, aber auch Brachflächen, Hecken und Bäumen. «So was ist doch toll», schwärmt Buri. Solche Projekte könnten dank der Initiative finanziell unterstützt werden, das käme auch den Bauern zugute.»
«Das könnte fast im Emmental sein», meint Gerber, als er das Bild betrachtet. «Dank der vielen Gräben, Chrächen und Wälder haben wir hier eigentlich noch eine recht intakte Landschaft».
Ausgeräumte Agrarflächen
Bezüglich Biodiversität schlechter präsentieren würden sich ausgeräumte Agrarflächen, sind sich die beiden einig. Buri wie Gerber sind auch einer Meinung, dass ökologische Elemente in diesen Gebieten für die Natur einen grossen Nutzen bringen würden. Die eidgenössischen Räte haben entsprechende Pläne des Bundesrates – welche auf 3,5 Prozent der Ackerfläche samt Kunstwiesen ökologische Elemente forderten – nach langem Hin und Her abgelehnt. «Ich fand die Idee eigentlich gut», meint Gerber. «Aber diese Regelungen waren halt auch wieder sehr kompliziert, betrafen eine grosse Fläche und waren von oben aufgegleist.» Er betont auch, dass viele Landwirtschaftsbetriebe mehr zugunsten der Natur machen würden, als gefordert.
Hochstammbäume und Kornblumen
Wie sieht es bezüglich Biodiversität auf Gerbers Betrieb aus? «Wir haben viel mehr ökologischen Elementen, als minimal gefordert wären», sagt er. «Wir haben unter anderem 300 Hochstammbäume – darunter auch Raritäten wie Speierlinge» – «Die wachsen an deinem Standort?», will Christian Buri wissen. – «Ja, wenn auch langsam. Früchte aber haben sie noch nie getragen.» Dann diskutieren die beiden über alte Apfelsorten und Nussbäume. Und Buri erwähnt, dass sich im moosigen Boden Eichen bewährt hätten. Im Moos baut er auch Getreide an, Triticale als Futter für die Schweine, daneben Brotweizen und Dinkel. «Ich habe heuer etwas Neues probiert», meint Buri, zückt das Handy und zeigt ein Getreidefeld mit vielen blau blühenden Kornblumen. «Die haben wir extra eingesät. Unglaublich, wie viele Insekten und Distelfinke dort jeweils anzutreffen waren», berichtet Buri. «Das ist eine gute Sache, die kaum Ertragseinbussen bringt.» Gerber, skeptisch ob der letzten Aussage, wiegt den Kopf hin und her.
Potenzial im Siedlungsraum
Mit der Initiative nicht einverstanden ist Beat Gerber auch, weil diese das Siedlungsgebiet nicht einbeziehe. «In Dörfern und Städten könnten man noch viel für die Natur machen – und dort gingen nicht Flächen verloren, welche der Nahrungsmittelproduktion dienen», meint Gerber, der auch als Gemeinderat von Langnau amtet: «Im Dorf werden derzeit vermehrt zusätzliche Bäume gepflanzt. Das finde ich gut. Christian Buri weiss zu berichten, dass sich mehr als die Hälfte der Biodiversität des Kantons Zürich in der Stadt befinde. Dennoch sind sich die beiden einig, dass in Siedlungen noch mehr für die Biodiversität getan werden könnte. Beispielsweise für Wildbienen. «70 Prozent der Wildbienen sind Bodenbrüter, denen bringen die schmucken Insektenhotels nichts», erklärt Beat Gerber und Christian Buri ergänzt: «Für diese braucht es sandige Flächen. Die könnte man gut bei einem Wohnhaus erstellen.»
Der Geist der Anbauschlacht
Bezüglich Bienen sind Christian Buri Insektizide ein Dorn im Auge. «Besonders Neonicotinoide haben zu einem wahren Insektensterben geführt. Mit der Initiative könnten auch alternative Massnahmen wie natürliche Feinde gefördert werden». Er anerkennt zwar, dass der Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln in den letzten Jahren gesunken ist. «Früher hatte man da gar kein Mass», meint Christian Buri an seinen Berufskollegen gewandt. «Ja, da hast du recht», meint Gerber. «In meiner Lehre vor 40 Jahren war ich ein Jahr auf einem Be-trieb mit viel Ackerbau. Wenn dort das Getreide auch nur ein bisschen von einem Pilz befallen war, hat man die Feldspritze an den Traktor angehängt und los gings. Damals wehte halt noch etwas der Geist der Anbauschlacht mit.»
Nun stellt die Gesellschaft andere Forderungen und die Landwirtschaft steht zum wiederholten Mal im Zentrum einer politischen Debatte. «Die Landwirtschaft betrifft halt alle Menschen: Sei es als Naherholungsgebiet oder Lieferant von Essen», meint Buri. Gerber stellt fest, dass sich die Fronten immer mehr verhärten würden und von den Bauern immer mehr gefordert werde, dabei sei die Gesellschaft mit der stets wachsenden Siedlungsfläche, welche Fruchtfolgeflächen koste, selber einer der grössten Faktoren dieser Entwicklung. «Auch das ist ein Dilemma, bei dem es nicht die eine Lösung gibt», meint Christian Buri und nickt. Auch darüber könnte man noch stundenlang weiter diskutieren.