«Als Verbandspräsident sehe ich mich als Hüter des Schwinger-Grals», sagt Jakob Aeschbacher. / Bild: zvg
Schwingen: Die Schwingfeste Burgdorf gehören zu den grössten der Saison. Der Präsident
des BKSV weiss, wie der Schwingsport verhindern kann, dass er Opfer seines Erfolges wird.
Jakob Aeschbacher ist seit 2020 Präsident des Bernisch-Kantonalen Schwingerverbandes (BKSV). Er weiss, wovon er spricht: Der ehemalige Schwinger aus Hasle erkämpfte sich 30 Kränze und stand mehrmals am Eidgenössischen selbst im Sägemehl, so zum Beispiel 1998 in Bern. «Das Fernsehen musste die Übertragung des Schlussgangs wegen des Starts des Formel-1-Rennens in Belgien unterbrechen», erinnert er sich.
Heute sind solche Unterbrechungen kaum vorstellbar. Sponsorings haben die Medienpräsenz erhöht. Schwingen zieht die Massen an, sowohl rund ums Sägemehl als auch vor den Geräten. Die Medien berichten mittlerweile fast jedes Wochenende live und ausführlich. Die besten Schwinger arbeiten Teilzeit oder studieren, weil sich der Sport professionalisiert. Berichte über diese Aushängeschilder bringen Bodenständigkeit in die städtischen Stuben. «Zu meiner Aktivzeit hat man sich in der Stadt beinahe geschämt zu sagen, dass man Schwinger ist. Durch die verstärkte Präsenz ist
es salonfähig und cool», sagt Aeschbacher und fügt schmunzelnd an: «Um den Nachwuchs müssen wir uns keine Sorgen machen.»
Möglich gemacht haben die Kommerzialisierung und Professionalisierung auch Investitionen von grossen Unternehmen, die das Potenzial früh erkannt haben. Nicht nur Feste werden gesponsert, sondern auch einzelne Athleten, womit diese sich den Lebensunterhalt neben Studium oder Teilzeitarbeit finanzieren können.
«Wir können nicht immer wachsen»
Noch ist Werbung in Arenen oder auf Schwingkleidung verboten. Doch was ist übrig vom bodenständigen Schwingerbild angesichts der wachsenden Kommerzialisierung? Aeschbacher sieht die Lage entspannt. «Unternehmen wie die Raiffeisen, Migros oder Mobiliar passen aufgrund ihrer Werte gut zum Schwingen. Mit einem Sponsor möchten wir zudem kein Geld verdienen, sondern Kosten decken.»
Die Ansprüche an Schwingfeste seien gestiegen und es sei normal, dass selbst kleinere Feste immer mehr Fans anziehen. «Ich finde es toll, dass Schwingen diese Aufmerksamkeit erhält. Wir können aber nicht immer wachsen», womit der 49-Jährige zum springenden Punkt kommt. «Der Schwingsport ist so erfolgreich, weil wir so sind, wie wir sind. Da kann ein Berner mit einem Sackmesser auf der Tribüne neben einem Innerschweizer sitzen und mit ihm den Aufschnitt teilen.» Gerne zieht er den Vergleich zur Weltsportart Rugby, wo weder Anfeindungen noch Pfiffe zu hören sind und Trikotwerbung verboten ist. Die Gepflogenheiten haben den Kommerz überlebt.
Die nächste Generation in der Pflicht
Aeschbacher warnt allerdings davor, der Entwicklung ihren Lauf zu lassen: «Als Verbandspräsident sehe ich mich als Hüter des Schwinger-Grals. Hält man das Angebot knapp, bleibt die Attraktivität erhalten. Das bedeutet auch Verzicht. Wenn wir uns für Werbung verkaufen, dann bricht alles zusammen.» Für seine Überzeugung steht er auch im kantonalen Verband ein. Nach 2025 wird es zu einem Wechsel der Präsidentschaft kommen. «Dann ist die nächste Generation gefragt, um den Organisationskomitees der jeweiligen Schwingfeste auf die Finger zu schauen.» Je grösser das Fest, desto mehr Personen im OK,
die zwar Eventerfahrung haben, aber weniger vom Schwingsport verstehen. Hier drohe ein Werteverlust. Dass auch finanzielle Verluste drohen, haben zum Beispiel die hohen Defizite beim ESAF in Pratteln und beim Bernisch-Kantonalen 2019 gezeigt.
«Sponsoren sind überlebenswichtig»
Nach dem Oberaargauischen am Nationalfeiertag sowie dem Emmentalischen am 3. August, steht nun mit dem Bernisch-Kantonalen am 11. August das dritte Fest auf der Burgdorfer Schützenmatte an. Von einem Defizit möchte Jakob Aeschbacher nichts wissen. Er selbst hat viele Feste mitorganisiert und weiss, welchen Herausforderungen sich das OK stellen muss. Da sind die Kosten. «Hast du diese im Griff, kommt es gut», sagt
der diplomierte Finanzspezialist. Für Schwingfeste wie jene in Burgdorf sind Sponsoren überlebenswichtig. 30 bis 40 Prozent der Kosten werden dadurch gedeckt. Weitere Einnahmen durch Ticketverkäufe und gute Erlöse aus der Festwirtschaft sind zudem nötig, um überhaupt die schwarze Null zu erreichen.
Drei Feste an einem Ort hat es noch nie gegeben; das scheint in mehrerer Hinsicht nachhaltig. Doch hier bittet Aeschbacher zur Vorsicht. «Je grösser das Fest, desto grösser das finanzielle Risiko. Läuft es gut, ist das Ergebnis sehr zufriedenstellend. Läuft es schlecht, dann ist es ein Fiasko.» Organisatorisch sei die Belastung ebenfalls verdreifacht – das ehrenamtliche OK muss für drei Feste Sponsoren, Infrastruktur, Gaben und Helfende suchen. Die Stimmung dürfte dem Publikum nachhaltig in Erinnerung bleiben, wenn 12´000 Zuschauende den Festsiegern zujubeln. Und für alle vor den TV-Geräten sei verraten: Eine Unterbrechung im Schlussgang sollte es heute nicht mehr geben.