Bereits zum achten Mal wird das Hämeli oberhalb von Signau zur Theaterkulisse. / Bild: Markus Zahno (maz)
Signau: Ab nächster Woche wird im Hämeli «Ueli dr Chnächt» aufgeführt. Für die beiden Leute, die hier leben, bedeutet das: Ausnahmezustand. Wir haben sie an einem Proben-Abend besucht.
Ein Dienstagabend im Juni, Viertel vor sieben. Im Hämeli herrscht Hochbetrieb. Im ehemaligen Stall stehen lange Tische, an denen sich die insgesamt 50 Schauspielerinnen und Schauspieler verpflegen können. Die Tenne dient als Garderobe. Im Stübli neben der Küche werden Gesichter geschminkt und Haare gestylt. Und am Tisch in der Küche sitzen die beiden Leute, die hier wohnen: Ernst Mosimann (74) und Käthi Röthlisberger (70). «Mir gefällt es, um die Theaterleute herum zu sein», sagt Mosimann, der seit jeher im Hämeli lebt, in diesem 1776 erbauten Bauernhaus hoch über Signau. Mit seiner von der Sonne braun gefärbten Holzfassade und dem imposanten Dach ist das Haus die perfekte Kulisse für Gotthelf-Inszenierungen. Kein Wunder, entstand vor 20 Jahren die Idee, hier ein Freilichttheater aufzuführen. «Käserei in der Vehfreude.» Der Erfolg war so überwältigend, dass 2007 die nächste Aufführung folgte, 2010 die übernächste – und so weiter und so fort.
Diszipliniert
Ab 26. Juni wird hier die achte Saison Theater gespielt. «Ueli dr Chnächt» heisst die diesjährige Produktion. Die 440-plätzige Tribüne vor dem Haus steht bereits. «Sehr gäbige Leute» seien die Schauspielerinnen und -spieler, die Betreuer- und Helfercrew, sagt Käthi Röthlisberger. «Viele sind schon zum x-ten Mal dabei.» Man kenne einander, nehme Rücksicht, «und wenn uns etwas stört, können wir es grad sagen». Aus der ganzen Deutschschweiz kommen pro Saison über 13´000 Zuschauerinnen und Zuschauer ins Hämeli. Nennenswerte Schäden ums Haus herum habe es bisher noch nie gegeben, berichten Mosimann und Röthlisberger. Einmal sei ein Granium-Kistli weggekommen – «vielleicht wollte ja ein Jüngling seinem Meitschi eine Freude machen», sagt Käthi Röthlisberger. Und als Aussenstehender denkt man: Ach, wären doch alle Menschen so tolerant. Käthi Röthlisberger und Ernst Mosimann sagen aber auch: Würde zum Beispiel eine Familie mit Kindern im Haus leben oder hätte es im Stall noch Kühe, wäre es naturgemäss fast nicht möglich, hier ein Theater aufzuführen. Doch die Kühe sind längst verkauft, das Land verpachtet. Früher war Ernst Mosimann hier Landwirt und hat zudem in Schüpbach bei den WK Paletten gearbeitet. Die Glocke, die er zur Pensionierung erhalten hat, hängt in der Küche.
Beeindruckt
Mittlerweile ist es halb acht Uhr. Ernst Mosimann steht auf, nimmt seinen Rollator. Er hat einen längeren Spitalaufenthalt hinter sich und ist nun auf dem Weg zur Besserung. Mit Hilfe seiner Partnerin geht er nach draussen und setzt sich an den Tisch vor dem Bauernhaus. Ein paar Schritte von ihm entfernt sind die Theaterleute am Proben. Mosimann sieht zufrieden zu. «Gegen Ende der Theatersaison kann ich die Texte jeweils fast auswendig», sagt er.
Bald geht die Sonne unter, es wird langsam kühler. «So, auso?...», sagt Ernst Mosimann, steht auf und zieht sich in die Wohnstube zurück. Hier schaut er noch ein bisschen fern und geht dann ins Bett. Derweil ist die Theatertruppe draussen weiter am Proben. Drinnen in der Küche feuert Käthi Röthlisberger den Holzherd an, der das ganze Haus heizt. Gleich daneben stehen die Glungge-Bäuerin (gespielt von Annarös Lehmann) und Vreneli (Sarah Bigler) und warten auf ihren nächsten Einsatz. Man plaudert über dieses und jenes, zwischendurch werfen die beiden Schauspielerinnen einen Blick durch die Fensterscheibe nach draussen, um ihren nächsten Einsatz nicht zu verpassen. Sie sei beeindruckt, wie gut die Theaterleute ihre Rollen spielten, sagt Käthi Röthlisberger.
Stolz
Hat es sie nie gereizt, selbst mitzuspielen? «Uh nei», winkt Käthi Röthlisberger ab, «das wär nüt für mi!» Lieber helfe sie vor und nach den Aufführungen dann in der Theaterbeiz. Auch Ernst Mosimann hat nie ernsthaft in Erwägung gezogen, selbst mitzuspielen. Dafür war er früher jeweils für die Aufbauarbeiten besorgt. Vor 20 Jahren, beim ersten Gotthelf-Freilichttheater im Hämeli, dachte Ernst Mosimann: «Das ist eine einmalige Sache.» Nie hätte er damals gedacht, dass es so lange weitergeht. Ob ihm das Theater manchmal nicht zu stressig wird? «Neinei», antwortet er. Man sieht ihm an: Er ist stolz, dass im Hämeli Theater gespielt wird. Und dass er seinen Teil zu «Ueli dr Chnächt» beitragen kann.