Diese versteinerten Austern und noch viele mehr wurden in Häutligen gefunden. / Bild: Rebekka Schüpbach (srz)
Häutligen: Das Austernriff von Häutligen ist einzigartig in der Schweiz und eines von wenigen in Europa. Nun wurde die kleine Ausstellung offiziell eröffnet und der Gemeinde übergeben.
«Wären wir vor 18 Millionen Jahren hier gestanden, hätten wir jetzt nasse Füsse.» Yvonne Stampfli begleitet für den Kanton Bern geologische Projekte. An der Einweihungsfeier vom letzten Samstag beschrieb sie den Gästen, wie die Landschaft ausgesehen hatte in der Erdneuzeit. Damals, als die Dinosaurier bereits ausgestorben waren, die Menschen aber noch nicht existierten, verlief in Häutligen die Küste eines Meeres. Dieses reichte von Marseille in Frankreich bis nach Wien in Österreich sowie den Karpaten entlang bis nach Bulgarien.
Das Ufer war vermutlich von Mangrovenwäldern gesäumt und durch die Zufuhr von Flusswasser reich an Nährstoffen. Hier fühlte sich die Auster «Crassostrea gryphoides» besonders wohl. Eine grosse, dickschalige und helle Muschel, die bis zu 50 Zentimeter lang wurde und sich am Meeresboden ansiedelte. Die Tiere stapelten sich über- und nebeneinander und bildeten auf diese Weise Bänke. Eine dieser Bänke, das Austernriff von Häutligen, wurde durch ein plötzliches Ereignis schnell mit Sedimenten zugedeckt und versteinerte. So überdauerte das einzige bekannte Austernriff in der Schweiz Jahrmillionen, während viele andere von Erosion zerstört wurden. Nur ein zweites ähnliches Riff ist bisher nördlich der Alpen bekannt; es befindet sich in der Nähe von Wien.
200 Meter lang und 1,2 Meter dick
1754 wurde das Austernriff in Häutligen ein erstes Mal schriftlich erwähnt. 1987 plante die Gemeinde, die Böschung am Scherpfenrain mit einer Mauer zu sanieren, doch das hätte das fossile Riff zerstört. Dank einer Einsprache und zähen Verhandlungen wurde das Austernriff schliesslich 1993 vom Naturschutzinspektorat unter Schutz gestellt. Wegen der nahen Strasse muss aber jeweils minimal eingegriffen werden, um die Verkehrssicherheit trotz der unvermeidlichen Erosion zu gewährleisten.
Der heute sichtbare Teil des rund 200 Meter langen und 1,2 Meter dicken Austernriffs ist für einen zufälligen Passanten kaum als solches zu erkennen und momentan ziemlich überwuchert. Es beinhaltet jedoch nicht nur Austern. Bisher fand man in der Gegend auch Fossilien von 18 weiteren Weichtiergattungen. Manche kamen beim Pflügen oder oft auch in Baugruben zum Vorschein. Vor sechs Jahren erhielt die Gemeinde eine anonyme Spende von 15´000 Franken mit der Auflage, das Austernvorkommen vor Ort zu dokumentieren. Der damalige Gemeindepräsident und heutige Präsident der Austernarbeitsgruppe, Peter Gäumann, erarbeitete seither die Ausstellung zusammen mit Personen aus Gemeinde und Kanton.
Rund um die Uhr zu sehen
«Die grösste Herausforderung bestand darin, den ganzen Sachverhalt verständlich darzustellen», sagt Peter Gäumann auf Nachfrage. Ausstellungsobjekte gab es schon mehr als genug – dank Hauptsponsor Fritz Josi. Seit 1970 stieg er in jede Baugrube der Gegend oder fragte nach gefundenen Muscheln. So hat er ein stattliches Arsenal an fossilen Austern, aber auch anderen Muscheln und Schnecken zusammengetragen. «Es sind 96 Austern, ich habe sie gezählt», so Peter Gäumann. Ein Teil davon ist nun in den drei Vitrinen an der Aussenwand des Schulhauses ausgestellt, anschaulich ergänzt mit wichtigen Hintergrundinformationen, die auch für Laien verständlich sind.
Weil es für die Vitrinen keinen Schlüssel im eigentlichen Sinn gibt, hat Peter Gäumann dem heutigen Gemeindepräsidenten Christoph Siegenthaler feierlich den Zugangscode übergeben. Von nun an wird die Gemeinde die Ausstellung betreuen. Die Muscheln kann man übrigens rund um die Uhr bewundern – dank eines Lichtschalters sogar in der Dunkelheit.