Fragen, Antworten und Entdeckungen

Fragen, Antworten und Entdeckungen
Anina Mirjam Schärer reiht einzelne Werke aneinander, die eine Geschichte ergeben. / Bild: Bettina Haldemann-Bürgi (bhl)
Langnau: Sie ist zeichnerisch wie literarisch bewandert: Kürzlich ist Anina Mirjam Schärers erstes Buch erschienen, und in Langenthal ist eine Ausstellung von ihr zu sehen.

Unser Gehirn ist ständig damit beschäftigt, logische Verknüpfungen zu machen und nach Erklärungen zu
suchen. Offene Fragen ertragen wir schwer. Genau hier setzt das Büch-lein «Im ausgeschriebenen Haus» von
Anina Mirjam Schärer an. Es erzählt weniger eine zusammenhängende Geschichte, sondern gleicht eher ei-ner Gebrauchsanweisung. Jede Buchseite ist sorgfältig gestaltet und unterscheidet sich von der anderen. Nicht Personen treten auf, sondern Gegenstände, wie ein Schachbrett, ein Wörterbändchen, eine Modelleisenbahn oder ein Kreuzworträtsel. Sie wollen alle angeschaut und studiert werden.


Hinter den Worten stecken Töne

Ein Quadrat aus lauter Plus-Zeichen bildet einen Plattenboden ab. Auf zwei Doppelseiten, die am Anfang und am Schluss des Büchleins stehen, reiht die Autorin einen Hashtag (#) nach dem anderen aneinander. «Das ist der Gartenhag», erklärt sie, «der das Haus umzäunt.» Im Wörterbändchen listet die Künstlerin von A bis S Worte auf, die aus Buchstaben bestehen, die in der Musik Töne bezeichnen. Begriffe wie «Affe», «Bach», «Fisch» versteht die Leserin sofort. Dass hinter diesen Worten aber auch Töne stecken, ist eine überraschende Entdeckung. Anina Mirjam Schärer liebt Wortspiele und Mehrdeutigkeiten. Sie nennt das Kippmomente – Situationen, in denen wir gleichzeitig etwas verstehen und nicht verstehen. Im Büchlein spielt sie mit vielen solchen Fragen, baut Mehrdeutungen ein, lässt Motive wie die Acht immer wieder auftauchen. Das kann anstrengend sein. Die Künstlerin nickt und empfiehlt einen spielerischen Umgang.


Drei Räume, drei Themen

Überraschend kommt auch die Ausstellung in Langenthal daher. Sie erstreckt sich über drei Räume, welche die Langnauer Künstlerin «Last», «Lost» und «Lust» nennt.  Im ersten Raum zeigt sie eine Reihe fertiger Werke. Porträts von ehemaligen WG-Kolleginnen, Verpackungsmaterial, das Geweih eines Elchs. Alles haargenau und in leuchtenden Farben wiedergegeben. Oft kombiniert sie (wie im Büchlein) Bild und Schrift. Dabei lässt sie sich von mittelalterlichen Buchseiten inspirieren. Im «Lost»-Raum zeigt die Künstlerin unfertige Werke, Arbeiten, für die irgendwann «die Zeit vorbei war». Im dritten Raum schliesslich fabuliert Anina Mirjam Schärer nach «Lust» und Laune. An den Wänden gestaltet sie Bildergeschichten, indem sie Arbeiten aus verschiedenen Schaffensperioden aneinanderreiht. Die Werkteile kommentieren und ergänzen sich. Ein Meer-Foto definiert eine blau bemalte Fläche als Wasser. Daneben hängt eine Bleistiftskizze mit zwei älteren Frauen, die am Strand spazieren gehen. Die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher sind aufgefordert, die Zeichen zu lesen, den Verknüpfungen zu folgen und sich einen Reim darauf zu machen.

25.04.2024 :: Bettina Haldemann-Bürgi (bhl)