Reise durch die Bahngeschichte

Reise durch die Bahngeschichte
Auf der Linie Burgdorf?–? Thun fuhr europaweit die erste rein elektrisch betriebene Bahn. Die Aufnahme hier stammt aus dem Jahr 1954. / Bild: Remo Reist (rrz)
Konolfingen: Im Dorfmuseum «Alter Bären» wird die Geschichte der Emmentaler Eisenbahn gezeigt. Die Initianten der Bahnen bewiesen viel Mut. Jedoch wurden nicht alle Projekte realisiert.

125 Jahre sind es her, seit die Burgdorf-Thun-Bahn (BTB) gegründet wurde, nächstes Jahr werden 150 Jahre seit der Gründung der Emmentalbahn (EB) und der Strecke Langnau?–?Luzern vergangen sein. Die Initianten der Ausstellung lassen im Dorfmuseum «Alter Bären» in Konolfingen die frühere Zeit aufleben. Werner Weber ist Co-Leiter des Museums. Er war bereits involviert, als auf 100 Jahre BTB zurückgeschaut wurde und da-für das RM-Archiv gesichtet werden konnte. Das Dorfmuseum durfte alle Doppel übernehmen, die nicht ins Staatsarchiv überführt wurden. Jetzt, 25 Jahre später, präsentiert die Ausstellung geplante, gebaute und verworfene Bahnen im Emmental. Sie bietet einen Abriss von den Anfängen der Eisenbahn in der Schweiz über die erste Bahn im Kanton Bern bis zu Projekten im Emmental, welche nie realisiert wurden.


Kairo und Kalkutta verbinden

Die Eröffnung der ersten Schweizer Eisenbahnlinie für den Personenverkehr reicht ins Jahr 1847 zurück. Damals nahm die Spanisch-Brötli-Bahn zwischen Zürich und Baden den Betrieb auf, kurz vor Ausbruch des Sonderbundskrieges. Die ersten Eisenbahnpläne in der Schweiz kamen schon um das Jahr 1830 auf. Die Rede war von einem Riesenprojekt zwischen Basel und Zürich, das bis nach Chur fortgesetzt und mittels Dampfschiffen und Dampfwagen London mit Kairo und Kalkutta «aufs schnellste und engste» verbinden sollte. Die Regionen des Einzugsgebiets der Emme, Kiese, Ilfis, Kleinen Emme, der Region rund um den Napf und die Eisenbahnlinien, die in diese Region hinein- oder hinausführen, werden als Abbild des langen Kampfes um den Anschluss an die grosse weite Welt bezeichnet.

Die BTB, die erste elektrisch betriebene Vollbahn Europas, habe bei der Inbetriebnahme als europäische Sensation gegolten. Aus ganz Europa seien Experten nach Konolfingen gepilgert, sagt Werner Weber. «Die Lokomotiven konnten Energie in grossem Umfang ins Netz zurückführen. Das Rekuperieren war zwar auch bei
anderen klassischen Elektrolokomotiven möglich, jedoch nur eingeschränkt.» Verschiedene Faktoren hätten schliesslich zum Elektrifizierungsentscheid geführt: «Die komplizierten Anschlussverhältnisse machten die Fahrplangestaltung schwierig und den Dampfbetrieb kostenintensiv. Die Experten planten vorausschauend, sie wollten nicht bloss eine Eisenbahnlinie, sondern sinnvolle Anschlüsse in Solothurn, Burgdorf, Konolfingen und Thun gewährleisten», weiss Werner Weber.


Konolfingen als Knotenpunkt

Das geplante Wasserkraftwerk mit Turbinen und Generatoren (Kanderwerk) in Spiez sei auf Abnehmer der Energie angewiesen gewesen. «Es waren Personen involviert, die den nötigen Mut aufbrachten und eine entsprechende Wirtschaftskraft im Rücken hatten», so Weber. Einer von ihnen war Gustav von May, Ingenieur bei der Firma Escher Wyss. Er war von Anfang an im Initiativ­komitee für eine Bahn von Konolfingen nach Thun. Weber betont, von May sei es zu verdanken, dass die Berneralpen Milchgesellschaft (Stalden-Crème) 1892 nach Konolfingen gekommen sei. Er habe versprochen, der Ort werde Eisenbahn-Knotenpunkt, zudem sorge er für die Lieferung von elektrischer Beleuchtung. Stalden und Oberdiessbach kriegten die elektrische Beleuchtung schliesslich zur gleichen Zeit wie die Stadt Bern.


Bahnbau auf den Napf bewilligt

Zu jener Zeit wurden eifrig Eisenbahnlinien geplant. 1891 wurde sogar ein Konzessionsgesuch für eine Bahnlinie von Trubschachen auf den Napf gestellt. Die Bedeutung des Napfs als Luftkurort wurde durch Zeugnisse eines Langnauer Arztes bestätigt und durch einen Zürcher Professor verstärkt. Potenzial sah man, nebst Touristen aus allen Herren Ländern, in der stadtbernischen Bevölkerung, da die Napfbahn die nächstgelegene Bergbahn geworden wäre. Bis hin zur eleganten Wartehalle auf Napf-Kulm war vieles bis ins Detail geplant. Die Berechnungen der Wirtschaftlichkeit ergaben einen jährlichen Überschuss. Die Herren in Bern stimmten dem Geschäft zu, so dass das Projekt hätte realisiert werden können. Schliesslich scheiterte die Napfbahn, weil das nötigte Geld nicht aufgetrieben werden konnte. Die Konzessionsdauer lief bis 1973, doch meldete sich in all der Zeit niemand, der das Projekt verwirklichen wollte.

Zurück zur Ausstellung: Sie zeigt historische Filme, eine Sammlung von Modellen in unterschiedlichen Spurweiten oder einen Bahnhof, wie er früher war – mit den Tätigkeiten des Bahnhofpersonals. Vorhanden ist der Billettkasten von Schafhausen mit zugehöriger Datumspresse, man erlebt eine Zusammenfassung der Billettkunde, wie sie ein Lehrling 1963 lernte, oder was ein Stationsbeamter zu tun hatte. Zudem kann der Weg der Züge durch den Bahnhof Konolfingen auf dem Gleisbild nachverfolgt werden. Das Einfahrsignal von Ramsei und das Stellwerk von Obermatt vervollständigen den Bahnhof von einst. Werner Weber möchte die Erinnerung der Bahnen in der Region wachhalten, dafür habe er gerne unzählige Stunden aufgewendet – zusammen mit Gleichgesinnten, wie er betont.

Ex-SBB-Chef zu Gast

Ausstellung im Dorfmuseum Konolfingen (Alter Bären, Burgdorfstrasse 85): Im März, April und Juni 2024 jeden ersten und dritten Sonntag des Monats von 14.00 bis 17.00 Uhr. Im Mai kann die Ausstellung am 5., 11. und 12. besichtigt werden. Die Vernissage findet am 1. März um 19.00 Uhr statt. Am 7. April wird zudem der ehemalige SBB-Chef Benedikt Weibel vor Ort zum Thema «Die Eisenbahn auf dem Weg ins dritte Jahrhundert in die Zukunft» referieren.
Infos: www.museum-alter-baeren.ch

29.02.2024 :: Remo Reist (rrz)