Zu viele neue Bretter am alten Hühnerhaus?

Zu viele neue Bretter am alten Hühnerhaus?
Das graue Hühnerhaus liegt neben einem weiteren bestehenden Gebäude am Schachenweg in Zollbrück. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Zollbrück: Bereits seit einigen Jahren beschäftigen sich verschiedene Amtsstellen mit einem sanierten Hühnerhaus. Muss dieses am Ende gar abgerissen werden?

An dieser Stelle am Schachenweg in Zollbrück sei «schon immer» ein Hühnerhaus gestanden, erklären Jennifer und Peter Wyss-Schweizer. Schon immer ist sicher übertrieben, aber immerhin können sie mit Luftaufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg beweisen, dass schon damals ein Gebäude dort stand - wie auch an mehreren anderen Stellen an diesem Weg. «Hühner wurden auch von unseren Vorgängern gehalten», berichtet das Ehepaar, das die Liegenschaft 2018 erworben hat. Bevor sie in dem Gebäude wieder Hühner einquartieren konnten, mussten sie es instand stellen. Das Wellblechdach sei alt und löchrig gewesen, durch die Wände hätten etwa Marder eindringen und den Hühnern auf den Leib rücken können.


Erst Nein, dann Ja

Brauchts für die Sanierung des Hühnerhauses eine Bewilligung? Diese Frage hatte sich auch die Familie Wyss-Schweizer gestellt und telefonisch bei der Gemeinde Lauperswil nachgefragt. Wenn die alte Tragkonstruktion grösstenteils erhalten bleibe, brauche es kein Baugesuch, lautete die Antwort. Somit stand der Sanierung nichts mehr im Weg. «Dass wir uns nur per Telefon erkundigt haben, war im Nachhinein natürlich ein Fehler», hält Jennifer Wyss-Schweizer fest. 

Im Dezember 2021, wenige Monate nach der Sanierung, erhielt die Familie Post von der Gemeinde, und zwar wegen Bauens ohne Bewilligung. Im Frühling 2022 traf sich dann eine Delegation beim Hühnerhaus zu einer Begehung. Mit dabei waren Vertreter des Amts für Landwirtschaft und Natur, des Amts für Gemeinden und Raumordnung, des Tiefbauamts, des Amts für Wald und Naturgefahren sowie zwei Vertreter der Gemeinde Lauperswil.


Fachmännische Erneuerung

Das Gebäude, wie es sich heute präsentiert, bietet den Hühnern und Kaninchen viel Platz. «Ich habe an der Grösse aber rein gar nichts verändert», betont Peter Wyss. Er ist Zimmermann und hat die Sanierung entsprechend qualitätsvoll ausgeführt. Statt der verwitterten Holzschalung hat er neue Bretter angebracht und diese grau gestrichen; und auf dem Dach sind neue Bleche montiert, sogenannte Sandwichpanelen. Weiter hat der Zimmermann neue Türen und Fenster eingesetzt und im Innern einen geräumigen Stall für das Federvieh wie auch für die Kaninchen der Kinder eingerichtet. «Wir haben darauf geachtet, dass alle Tierschutznormen mehr als erfüllt sind», wirft Jennifer Wyss-Schweizer ein. Im Innern fallen einem die alten Dachsparren auf. Eine Änderung gegenüber früher ist, dass Wyss an den Wänden auch im Innern eine Schalung angebracht und den Zwischenraum isoliert hat. «Das habe ich gemacht, damit die Nachbarn weniger vom Krähen des Hahns gestört werden», erklärt Peter Wyss.


«Rechneten mit einer Bewilligung»

Was kam dann bei der Begehung raus? «Dass wir ein Baugesuch einreichen müssen, weil sich das Erscheinungsbild verändert habe», erklären Jennifer und Peter Wyss-Schweizer. Die beiden hatten bei der Begehung den Eindruck, dass das Gesuch dann auch bewilligt werde. Sie liessen Pläne anfertigen, aus denen ersichtlich ist, welche Balken ersetzt und welche beibehalten wurden. Weiter entfernten sie stellenweise die Schalung, um mit Fotos aufzeigen zu können, dass sich darunter wirklich die alten Balken verbergen. Das beim Regierungsstatthalteramt eingereichte Baugesuch aber wurde, wie das Ehepaar berichtet, abgelehnt. Dies mit der Begründung, es handle sich um einen Abbruch und einen Neubau. Weil sie mit dem Entscheid nicht einverstanden waren, konnten sich die beiden im Rahmen des «rechtlichen Gehörs» noch einmal äussern. Mittlerweile waren seit der Sanierung drei Jahre vergangen. «Wir haben noch einmal begründet, dass es sich nicht um einen Neubau handelt», berichtet Jennifer Wyss-Schweizer.


Unterschriften gesammelt

Dann herrschte rund ein Jahr Funkstille. Im Mai 2025 erhielt die Familie wieder Post, und zwar wurde ihr eine Wiederherstellungsverfügung angekündigt. «Das würde bedeuten, dass wir das Hühnerhaus abreissen und dort eine Wiese anlegen müssten», führt Peter Wyss aus und schüttelt den Kopf. «So etwas würde ich verstehen, wenn wir dort eine Wohnung eingebaut hätten.» Er wäre auch einverstanden, wenn er beispielsweise statt der waagrechten, grauen Aussenschalung eine senkrechte, naturbelassene anbringen müsste. «Hauptsache, der Fall wäre endlich abgeschlossen.» Weil die beiden nicht mehr wussten, was sie noch unternehmen könnten, starteten sie eine Unterschriftensammlung. An dem Weg, der parallel zur Emme verläuft und entsprechend viel begangen wird, legten sie Unterschriftenbogen aus. Von nun an war die Causa Hühnerhaus ein viel diskutiertes Thema im Quartier. Über 200 Personen haben sich mit ihrer Unterschrift für das Hühnerhaus ausgesprochen. Hat die Petition etwas bewirkt? «Wir wissen es nicht. Wir haben seither vom Regierungsstatthalteramt nichts mehr gehört.»

«Wir müssen uns an die baurechtlichen Vorschriften halten»

Für das Baubewilligungsverfahren sei die eingereichte Petition nicht von Belang, hält Marc Schori, Abteilungsleiter Bauwesen beim Regierungsstatthalteramt Emmental, fest. «Wir müssen uns an die baurechtlichen Vorschriften halten.»

Weil sich das Hühnerhaus ausserhalb der Bauzone auf Landwirtschaftsland sowie im Gewässerraum der Emme und nahe eines Waldes befindet, sind gleich mehrere kantonale Stellen involviert. Beim Regierungsstatthalteramt laufen die Fäden zusammen. Eingeleitet worden sei das Verfahren indes aufgrund einer baupolizeilichen Kontrolle der Gemeinde Lauperswil, berichtet Schori.


An was man sich orientiert

Einen detaillierten Leitfaden, was bei einer solchen Sanierung erlaubt sei, gebe es nicht, erklärt Schori. Aus früheren Gerichtsurteilen gehe etwa hervor, dass rund ein Drittel der Tragkonstruktion ersetzt werden könne, ohne dass von einem Neubau die Rede sei. Vertreter kantonaler Fachstellen seien laut ihren Stellungnahmen zum Schluss gekommen, dass die ausgeführten Arbeiten über eine Sanierung hinausgehen würden, zitiert Schori. Die Frage, ob sich die Amtsstellen auch mit diesem Hühnerhaus beschäftigt hätten, wenn über Jahre mal eine Wand neu verschalt oder ein Teil des Daches ersetzt worden wäre, beantwortet Marc Schori mit: «Das ist möglich.»


«Kann in alle Richtungen gehen»

Der Abteilungsleiter Bauwesen des Regierungsstatthalteramtes betont, dass sich das Verfahren trotz der angekündigten Wiederherstellung noch «in alle Richtungen» bewegen könne. Grundsätzlich sei das Hühnerhaus nicht zonenkonform, weil es nicht zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehört. «Das Amt für Gemeinden und Raumordnung ist verpflichtet, überall im Kanton den gleichen Massstab anzuwenden, was auch für alle anderen Fachstellen gilt», sagt Schori. Dass an der Stelle früher ein Gebäude stand, wird vom AGR nicht bestritten. Dieses habe aber nicht mehr als Hühnerhaus genutzt werden können. Eine weitere Frage ist, ob ein solches Gebäude, falls es als Neubau taxiert wird, im Gewässerraum geduldet werden könne. Dabei spiele es im Einzelfall keine Rolle, ob sich in benachbarten Parzellen bestehende Bauten im Gewässerraum befänden, hält Marc Schori fest. Gemäss dem Tiefbauamt sei kein «wichtiger Grund» für einen Hühnerstall feststellbar, hingegen stünden «überweigende öffentliche Interesssen» dagegen.


Unterlagen noch einmal prüfen

Wie ist der aktuelle Stand? «Die involvierten Amtsstellen haben die abschliessenden Berichte eingereicht. Der Bauherrschaft wurde das rechtliche Gehör erteilt», sagt Marc Schori. Es sei nun an der Leitbehörde, dem Regierungsstatthalteramt, den Entscheid zu formulieren.

14.08.2025 :: Bruno Zürcher (zue)