«Eine Anschlusslösung ist nebst der Behandlung das Wichtigste»

«Eine Anschlusslösung ist nebst der Behandlung das Wichtigste»
Beschäftigung ist für Menschen mit einer psychischen Erkrankung wichtig, auch für die Wiedereingliederung. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Kanton Bern: Beim psychiatrischen Angebot im Kanton Bern ist derzeit vieles in Bewegung. Wie wirkt sich etwa der Leistungsabbau bei der UPD in Bern auf das Spital Emmental aus?

Gleich mehrere Medienmitteilungen über das psychiatrische Angebot im Kanton Bern gingen in den letzten Tagen ein: Absender waren die Universitären Psychiatrische Dienste AG (UPD), die Psychiatriezentrum Münsingen AG (PZM), die kantonale Gesundheitsdirektion sowie mehrere Personal- und Ärzteverbände. Nebst dem geplanten Zusammenschluss von UPD und PZM (siehe Kasten) ging es auch um den Angebotsabbau bei der UPD. Aus wirtschaftlichen Gründen müssten Stellen im Sozialdienst gestrichen und ganze Freizeitangebote eingestellt werden. Diese könnten nicht über die Krankenkassen abgerechnet werden und die Restkosten seien nicht gedeckt. Die Berufsverbände kritisieren den Kanton, der dafür verantwortlich sei, diese Angebote zu finanzieren. Die Versorgungssituation bei der psychischen Gesundheit sei ohnehin prekär. Die kantonale Gesundheitsdirektion weist die Vorwürfe zurück. Die Beiträge für die Freizeitangebote seien sogar leicht angehoben worden. Zudem sei die Gesundheitsdirektion von der UPD nicht über die Abbaupläne informiert worden.


Spital leistet Grundversorgung

Die Angebote der UPD in Bern sind auch für die Emmentaler Bevölkerung relevant. Zwar leistet das Spital Emmental die psychiatrische Grundversorgung in der Region. Diese umfasst aber nicht alle Bereiche. Nicht angeboten wird etwa die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Zudem verfügt das Spital Emmental über keine Intensivpsychiatrie für Patientinnen und Patienten mit schweren psychiatrischen Erkrankungen, für die ein besonderes Schutzdispositiv erforderlich ist. 

Werden wegen des Abbaus bei der UPD nun mehr Menschen im Spital Emmental behandelt werden müssen? «Damit rechne ich eigentlich nicht», sagt Christine Frötscher, Betriebsleiterin Psychiatrie am Spital Emmental. Sie gehe auch nicht davon aus, dass viele Personen aus dem Emmental UPD-Freizeitangebote wie das «Metro» in Bern besucht hätten.


Wieder den Tritt finden

Das Spital Emmental verfüge über keine Freizeitangebote. «Wir haben für therapeutische Massnahmen Ateliers in unseren Tageskliniken und Stationen wie auch im Rahmen von ambulanten Gruppenangeboten.» Dazu gehörten Gestaltungs- und Maltherapie oder die Entspannungsgruppe. Als «bedauerlich» bezeichnet Frötscher den Abbau beim Sozialdienst der UPD. «Eine Anschlusslösung für die Menschen zu finden ist nebst der eigentlichen Behandlung das Wichtigste.» Im Spital Emmental würden in jedem Team nebst Pflegenden, Psychologen, Ärztinnen auch Sozialarbeitende mitwirken. Kritik übt die Berner Konferenz für Sozialhilfe, Kindes- und Erwachsenenschutz. Die regionalen Sozialdienste verfügten bereits jetzt über zu wenig Kapazität. So hat auch Melanie Hiltbrand vom Sozialdienst oberes Emmental die Erfahrung gemacht, dass es an geeigneten Angeboten für Menschen mit psychischen Erkrankungen mangle. Die Arbeitsintegration sei für Menschen mit einer psychischen Erkrankung nicht einfach.

In den letzten Jahren habe man vom gut funktionierenden Arbeitsmarkt profitieren können. «Was aber, wenn Arbeitskräfte weniger gefragt sind?»


«Psychiatrie hilft vielen Menschen»

Arbeitskräfte gesucht sind in der UPD: «Es gestaltet sich als herausfordernd, qualifiziertes Pflegepersonal, Psychologinnen und Ärzte zu finden», schreibt die UPD auf Anfrage. Und bei der Psychiatrie des Spital Emmental? «Unsere Stellen sind alle besetzt», sagt Christine Frötscher. An Arbeit mangelt es nicht. Die Zahl der Zuweisungen sind sowohl bei der UPD wie auch in der Psychiatrie des Spitals Emmental steigend. «Es ist wichtig, dass es eine wohnortnahe Psychiatrie gibt. Sie hilft vielen Menschen», hält Christine Frötscher fest. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass es den Leuten aus der Region leich­-ter falle, ein Angebot des regionalen Spitals anzunehmen anstelle eines Eintritts in eine zentralisierte psychiatrische Klinik. «Die Schlagzeilen um die psychiatrischen Angebote in Münsingen und Bern bereiten mir etwas Sorge», fügt Christine Frötscher an. «Die Stigmatisierung der Psychiatrie wird dadurch leider nicht kleiner.»

UPD und PZM sollen 2027 fusionieren

Die kantonale Gesundheitsdirektion sowie die Universitäre Psychiatrische Dienste (UPD) AG und
die Psychiatriezentrum Münsingen (PZM) AG haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, die den geplanten Zusammenschluss der beiden Unternehmen beinhaltet. Sie beabsichtigen, per 1. Januar 2025, aber spätestens per 1. Januar 2027 zu fusionieren, wie die Gesundheitsdirektion mitteilt. Das künftige stationäre Angebot soll an drei Standorten, in Güm-ligen (Alterspsychiatrie), in Münsingen (Erwachsenenpsychiatrie) sowie an der Bolligenstrasse (Kinder- und Jugendpsychiatrie, Forensik und Rehabilitation) erbracht werden.

15.02.2024 :: Bruno Zürcher (zue)