Baustart: Peter Portmann, Thomas Thalmann, Patricia Portmann, Claudia Bieri, Matthias Gerber, Fritz Gerber und Herbert Bieri. / Bild: zvg
Escholzmatt: Die Dorfkern AG hat sich auf die Fahne geschrieben, bestehende Gebäude zu erhalten und weiterzuentwickeln. Das neuste Projekt passt gut zum Namen der Unternehmung.
Ein Bauarbeiter schleppt ein halbes Dutzend blauer Schaufeln auf das Gelände, wo bereits die alten Gebäude abgerissen wurden und der Bagger für den Aushub bereitsteht. Alles ist parat für den Fototermin. Auf dem Bild posiert der Verwaltungsrat der Dorfkern AG Escholzmatt-Marbach. Bei dieser Unternehmung handelt es sich nicht um einen Immobilieninvestoren, wie es viele gibt. Die AG ist grundsätzlich schon gewinnorientiert. «Aber die Leute, die Aktien gekauft haben, wissen, dass es einen geringen Profit geben wird», sagt Thomas Thalmann, Verwaltungsratspräsident. Offenbar sind dennoch recht viele Leute bereit, Aktien zu zeichnen. Ende 2019 gründete Thalmann gemeinsam mit Herbert Bieri, Peter Portmann und Fritz Gerber die AG. «Heute sind es 57 Aktionärinnen und Aktionäre, die mindestens eine Aktie im Wert von 20´000 Franken halten», sagt Herbert Bieri. Insgesamt beträgt das Aktienkapital gut zwei Millionen Franken. Aktien gezeichnet hätten Leute, die in der Gegend wohnten oder solche, die einen starken Bezug zum Entlebuch hätten, sagt Thomas Thalmann. «Offenbar ist es vielen Leuten ein Bedürfnis, die Dorfkerne von Escholzmatt und Marbach zu erhalten.»
Es musste schnell gehen
Wie ist die Idee entstanden? «Am Anfang stand die ‹Krone› in Escholzmatt», beginnt Thomas Thalmann zu erzählen. Diese sei 2019 plötzlich zum Verkauf gestanden. «Wir wollten, dass dieses Gasthaus weiterhin betrieben wird.» Die interessierten Wirtsleute hätten aber nicht die gesamte Liegenschaft erwerben wollen. So haben die vier Gründungsmitglieder der Dorfkern AG die sogenannte Kronen-Scheune erworben. Diese ist seither an einen Gewerbetreibenden vermietet – und in der «Krone» wird weiterhin gewirtet. Beim «Kreuz» in Marbach war die Situation ganz ähnlich. Die Liegenschaft stand ebenfalls zum Verkauf und es war durchgesickert, dass potenzielle Investoren vorhatten, in dem Gebäude Wohnungen einzubauen. «Es war bekannt, dass der ‹Bären› in absehbarer Zeit geschlossen wird», gibt Thalmann zu bedenken. So trat auch beim «Kreuz» die Dorfkern AG in Aktion. «Das war unser grösstes Projekt», sagt Thalmann; Architekt Herbert Bieri nickt anerkennend. Der Anschluss an den Wärmeverbund
und die Sanierung der Hotelzimmer waren dabei die grössten Posten. Seit knapp zwei Jahren ist der Betrieb wieder offen. Wie läufts? «Wir sind sehr zufrieden. Die Pächter leisten gute Arbeit», sagt Herbert Bieri. Auch die Hotelzimmer seien beliebt, besonders bei Tagestouristen.
Ein Bauprojekt statt viele kleine
Vergangene Woche ist nun der Baustart für den nächsten Streich der Dorfkern AG Escholzmatt-Marbach erfolgt: zwei Mehrfamilienhäuser wahrlich mitten im Dorfkern von Escholzmatt. Die Parzelle befindet sich hinter drei historischen Geschäftshäusern nördlich des Dorfplatzes, welcher von der Kirche dominiert wird. Die Fläche sei zuvor stark zerstückelt gewesen und habe zu den drei Häusern gehört, die direkt an der Hauptstrasse liegen, erklärt Herbert Bieri. «Das Vorhaben machte also nur Sinn, wenn wir alles zusammen weiterentwickeln können.» Und dann waren alle drei Eigentümer gleich einverstanden? «Da fanden natürlich schon Jahre zuvor erste Gespräche statt», sagt Herbert Bieri. Warum werden solche Liegenschaften nicht von der nächsten Generation übernommen? «Die Gründe sind vielfältig», beginnt der Architekt zu erklären. «Die jungen Leute ziehen weg und haben dann einen weniger starken Bezug zum Dorf. Dann kommt hinzu, dass sich viele Gebäude direkt an der Hauptstrasse befinden und daher kaum Umschwung haben. Auch der meist fehlende Balkon wird häufig bemängelt.» Hinzu komme, dass grosse Teile des Dorfkerns von Escholzmatt im Inventar der kantonalen Denkmalpflege vermerkt sei und das Dorf an sich im Inventar
der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (Isos), was die Planung einer Sanierung nicht einfacher mache.
Das Projekt schrittweise entwickelt
Auch bei den beiden Mehrfamilienhäusern, die nun gebaut werden, nahm die Planung einige Zeit in Anspruch. Architekt Bieri konnte nicht einfach ein Gebäude gestalten und das Baugesuch einreichen. Die Pläne wurden von einer Begleitgruppe beurteilt, der nebst einem Vertreter der Denkmalpflege auch zwei externe Architekten angehörten. Auf den ersten Skizzen war nur ein Gebäude zu sehen. Dass dieses im historischen Baubestand zu mächtig wirken würde, sei rasch klar gewesen, hält Herbert Bieri fest. Nun werden dort zwei Gebäude entstehen. Diese orientieren sich gestalterisch stark am Bestehenden: Holzfassade, grüne und rote Fensterläden, Satteldächer und keine Balkone, sondern Lauben auf den Westseiten. «Wir hätten die beiden Gebäude gerne miteinander verbunden», sagt Thomas Thalmann, «dann wäre nur ein Treppenhaus nötig gewesen.» Die Verantwortlichen der Dorfkern AG hätte auch lieber weiter in die Höhe gebaut als zwei Stockwerke und ein ausgebautes Dachgeschoss. Aber die umliegenden Gebäude hätten die maximale Höhe vorgegeben. Thalmann wie Bieri loben die gute Zusammenarbeit mit
der Denkmalpflege. So habe man sich auch auf den Bau einer Einstellhalle einigen können, in der 14 Fahrzeuge Platz finden. Sind Wohnungen im Zentrum von Escholzmatt gefragt? «Fünf Wohnungen sind bereits verkauft», erklärt Thomas Thalmann am Tag des Spatenstichs. Dass die Dorfkern AG die Wohnungen verkaufen will, war von Anfang klar. Die Unternehmung investiert dort rund 5,6 Millionen Franken. «So erhalten wir wieder etwas Kapital», sagt der Verwaltungsratspräsident. Gibt es bereits neue Ideen? «Für künftige Projekte ist die Dorfkern AG immer offen.»