Dank neuem Lebensraum für Biber soll es weniger Konflikte geben

Dank neuem Lebensraum für Biber soll es weniger Konflikte geben
Der Biber verbreitet sich zwar immer mehr, doch das nachtaktive Tier ist nur schwer zu beobachten. / Bild: zvg
Dürrenroth: Seit 2014 ist der Biber am Rotbach aktiv. Wegen seiner Dämme wird immer wieder Kulturland überschwemmt. Nun soll ein Projekt, das den Lebensraum aufwertet, Abhilfe schaffen.

2014 wanderte der Biber von Huttwil die Langete hoch in den Rotbach und siedelte sich im Raum Dürrenroth an. Inzwischen befindet sich gemäss der Biberfachstelle des Bundesamts für Umwelt ein Familienrevier am Rotbach, ein Paar lebt am Huebbach und eines unterhalb der ARA. Nach und nach richtete sich das grösste Nagetier Europas hier seinen Lebensraum ein und baute Dämme. Das blieb nicht ohne Folgen, wie Lorenz Heer, Geschäftsführer von Pro Natura Bern, erklärt: «Indem der Biber das Wasser staut, kommt es immer wieder zu Überschwemmungen von Kulturland und zu Rückstau im landwirtschaft­lichen Entwässerungssystem.» Mehrere Drainageleitungen führen in den Rotbach. Bei den betroffenen Landwirten hielt sich die Begeisterung über den neuen Nachbarn denn auch in Grenzen. Mit einem Projekt soll der Konflikt nun entschärft werden – zum Nutzen von Mensch und Tier, wie Heer erklärt.


Den Biber lenken

Geplant ist, den Rotbach im Bereich Rotwald ökologisch aufzuwerten. So erhält der Bach auf einer Länge von 1,5 Kilometern mehr Platz. Der Gewässerraum soll von heute 16 auf 30 Meter erweitert werden. Das Ufer wird lokal entweder flacher oder steiler gestaltet. Weiter sind eine standortgerechte Uferbepflanzung, Hecken und Kleinstrukturen wie Asthaufen geplant. Zudem entstehen mehrere Teiche. Dies alles komme auch anderen Arten wie Fischen, Vögeln, Amphibien, Reptilien und Insekten zugute, erklärt Lorenz Heer. «Hauptziel ist es aber, den Biber zu lenken, indem man ihm einen attraktiven Lebensraum bietet.» Dort könne der Nager langfristig sein Revier bewohnen, bearbeiten und sich entfalten, ohne die bestehenden Konflikte noch zu verstärken. Doch auch die betroffenen Landwirte profitierten vom Projekt, betont der Geschäftsführer von Pro Natura Bern. So würden neue Drainageleitungen und Spülschächte erstellt, um die Vernässung der Felder zu verhindern. Und die Übergänge über den Rotbach werde man sichern.


Sich arrangieren

12 von 14 Landeigentümern nehmen am Projekt teil. So auch die Gemeinden Dürrenroth und Walterswil, auf deren Gebiet das Projekt realisiert wird und die als Gesuchsteller auftreten. «Die ganz grosse Begeisterung ist zwar bei den Landeigentümern nicht zu spüren, aber schlussendlich muss man sich arrangieren», erklärt Pascal Dietrich, Gemeindeschreiber von Dür­renroth. Der Biber sei schliesslich streng geschützt und werde wohl bleiben. Er hoffe, dass sich die Tiere künftig hauptsächlich im renaturierten Teil des Rotbachs aufhalten werden. Und dass vielleicht sogar das Paar vom Huebbach umzieht. Dort sei es nämlich zu Schäden an Strassen gekommen, nachdem ein darunter liegender Bau einstürzte. «Bei der Infrastruktur gibt es, anders als in der Landwirtschaft, keine Entschädigungen», so Dietrich. 

Lorenz Heer von Pro Natura Bern ist zuversichtlich, dass der Biber den neuen Lebensraum akzeptieren wird. Was aber, wenn er nicht dort seine Dämme baut, wo dies vorgesehen ist und es Land überschwemmt, das trocken bleiben sollte? Es sei dann möglich, einzugreifen, sagt Heer. So könnten etwa Dämme abgetragen werden, wenn das gestaute Wasser eine definierte Höhe überschreite. Dieses Vorgehen sei Teil des Projekts.


Kosten von 1,2 Millionen

Geplant ist, das Projekt ab Herbst 2025 zu realisieren, die Bauzeit beträgt sechs Monate. Aktuell liegt das Wasserbaugesuch öffentlich auf, die Einsprachefrist endet am 1. Dezember. Die Kosten sind gemäss Projektunterlagen mit rund 1,2 Millionen Franken veranschlagt. Gerechnet wird mit einem Subventionsbeitrag von Bund und Kanton von rund 700´000 Franken. Die Restkosten tragen der Renaturierungsfonds, der BKW-Ökofonds und Pro Natura. «Weder die Gemeinden noch die Landeigentümer müssen einen finanziellen Beitrag leisten», erklärt Lorenz Heer.

Der Biber ist auf dem Vormarsch

Der einst in der Schweiz ausgerottete Biber ist an einen Grossteil der Schweizer Gewässer zurückgekehrt. Im Winter 2022 wurde nach 1978, 1993 und 2008 zum vierten Mal eine Biberbestandserhebung durchgeführt. In der Schweiz leben demnach rund 4900 Biber, dreimal mehr als 2008. «Die Besiedlung kleiner und sehr kleiner Bäche hat sich fortgesetzt», steht auf der Webseite der Biberfachstelle. Deren Leiter Christof Angst erklärt, dass es eine Frage der Zeit sei, bis der Biber auch im oberen Emmental und im Entlebuch heimisch werde. 2022 gab es etwa ein Paar – Biber leben monogam – bei Trubschachen. Christof Angst geht nicht davon aus, dass der Bestand weiter so stark zunimmt. «Irgendwann sind die geeigneten Lebensräume besetzt und die Population stagniert oder nimmt gar ab. Sie pendelt sich dann auf einem Niveau ein.»

09.11.2023 :: Silvia Wullschläger (sws)