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Marionetten tanzen im Schloss

Marionetten tanzen im Schloss
Mit viel Liebe zum Detail hergestellt: die Marionetten des aktuellen Stücks. / Bild: Regine Gerber (reg)
Sumiswald: Seit einem Jahr ist das Gondiswiler Marionettentheater im Schloss beheimatet. Jetzt zeigt es das Mundart-Stück «Bild ohni Rahme», das die 90-jährige Ruth Güdel eigens auf den neuen Spielort zugeschnitten hat.

Ein gezielter Griff hier, eine sachte Bewegung da: Wenn die Spielerinnen der Gondiswiler Marionetten an den Fäden ziehen, scheint es, als würden die 50 Zentimeter grossen Puppen zum Leben erweckt. «Es ist faszinierend, was Marionetten ausdrücken können, obwohl sie keine Mimik haben», sagt Doreth Zemp, Präsidentin des Vereins.

An diesem Probeabend im Schloss Sumiswald ziehen die drei Spielerinnen von einem 2,5 Meter hohen Podest den richtigen Faden zur richtigen Zeit, übergeben sich die Puppen und steigen immer mal wieder übereinander rüber, um den Spielfluss am Laufen zu halten. Sie müssen sich zudem nach den Texten richten, die ab Band laufen. «Das Marionettenspiel braucht Geschick und viel Übung», bestätigt Doreth Zemp.


Neuer Spielort im Schloss

Erfahrung haben die Spielerinnen der tra­ditionsreichen Gondiswiler Marionetten zweifellos. Der Verein, der 1978 gegründet wurde, gehört zu den wenigen Fäden-Marionettentheatern in der Schweiz. Die Produktionen locken jeweils ein Liebhaber-­Publikum aus dem ganzen Land an. Über 40 Jahre waren die «Marionetteler» im Restaurant Rössli in Gondiswil beheimatet. Dort brachten sie nahezu jährlich ein Stück auf die Bühne. Nachdem das «Rössli» 2021 verkauft wurde, musste sich der Verein auf die Suche nach einem neuen Spielort machen. Dies sei kein einfaches Unterfangen gewesen, erzählt Doreth Zemp. Ein engagiertes Team besichtigte Lokalitäten in der gesamten Region; Säle in Restaurants, Gewölbekeller und leerstehende Gebäude. «Doch die Sache hatte immer einen Haken», sagt Zemp. Entweder überstieg die Miete die finanziellen Möglichkeiten oder der Standort war zu schlecht erschlossen. Der grösste Knackpunk war aber die notwendige Raumhöhe. Um eine Marionettenbühne aufbauen zu können, sind rund vier Meter Höhe notwendig, damit die Spielerinnen und Spieler genügend Bewegungsfreiheit auf dem Podest haben. Nach längerer Suche wurde der Verein im Herbst 2022 schliesslich in Sumiswald fündig. Die «Marionetteler» durften ins ehemaligen Schloss-Café ziehen. Kurz nach dem Umzug brachte die Crew bereits eine Reprise auf die neue Bühne.


Stück für knappe Platzverhältnisse

Auch wenn das Schloss über hohe Räume verfügt – der Platz ist knapp. Im neuen Lokal gibt es weniger Zuschauerplätze und die Bühnenbreite musste um einen Meter verkleinert werden. Das bedeutet auch, dass bestehende Kulissen und Requisiten nicht weitergenutzt werden konnten. «Uns wurde schnell klar, dass wir ein Stück brauchen, das eigens für die verkleinerte Bühne geschrieben ist», sagt Ruth Güdel, die schon bei etlichen Stücken der Gondiswiler Mario­netten Regie führte. Und so nahm sich die 90-Jährige, die seit 1981 dem Verein angehört, dieser Herausforderung an. «Ich habe mich auf eine schlichte Handlung mit wenigen Figuren und einer fixen Kulisse konzentriert», sagt sie. Entstanden ist das Mundart-Stück «Bild ohni Rahme». Das Märchen stellt die Frage, was uns im Leben langfristig glücklich macht. Eine junge Frau kommt unverhofft zu grossem Reich­tum, verliert aber zunehmend ihre Zufriedenheit. Gelingt es ihr, sich aufs Wesentliche zu besinnen? Nebst der Hauptfigur tritt eine Zauberin auf. Eine Erzählfigur führt zudem durch das Stück, das sich an Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren richtet. «Mir ist wichtig, dass die Botschaft verstanden wird», sagt die Autorin. 

Die Ideen zum Stück kamen Ruth Güdel nach und nach – nicht selten mitten in der Nacht. «Ich habe immer einen Bleistift und meine Gedankenzettel in der Nähe», sagt sie. Bereits während des Schreibens hatte sie auch passende Marionetten und Bühnenbilder im Kopf.


Waldkulisse mit Projektionen

«Bild ohni Rahme» spielt vor einer Waldlandschaft. Als Requisiten dienen Bäume und Holzstapel. Projektionen ergänzen das Bühnenbild. Früher war Ruth Güdel oft selbst als Marionettenspielerin im Einsatz. Das habe ihr
den Schreibprozess erleichtert. «Ich weiss, was Marionetten können und was nicht», sagt sie. Zum Beispiel sei es technisch kaum möglich, dass eine Marionette eine Tasse Kaffee trinkt. Für die Aufführungen wünscht sich Ruth Güdel vor allem eines: «Die Marionetten sollen das Publikum für einen Abend aus dem Alltag in eine Welt voller Fantasie ziehen.»

19.10.2023 :: Regine Gerber (reg)