Albrecht Siegenthaler in der Naturarena beim Kemmeriboden-Bad. Seine Karriere als Schwingfunktionär ist eindrücklich, wohl sogar einzigartig. / Bild: Markus Zahno (maz)
Schwingen: Albrecht Siegenthaler hat fast jedes Amt ausgeübt, das man im Schwingen ausüben kann. Unter anderem war er 23 Jahre Präsident des Kemmeriboden-Schwingets. Nun tritt er kürzer.
«Ich wurde immer wieder angefragt – und habe immer wieder Ja gesagt», erzählt Albrecht Siegenthaler. Nie habe er eine Zusage im Nachhinein bereut, «wirklich nie».
Siegenthaler sitzt in der Naturarena beim Kemmeriboden-Bad. Hier haben die Schwinger vor Jahrzehnten Holzschwellen in den Hang verbaut und eine eindrückliche Tribüne erschaffen. Jedes Jahr, wenn es Herbst wird, geht in der Arena der Kemmeriboden-Schwinget über die Bühne. Seit 1975. Mit einer Ausnahme war Albrecht Siegenthaler jedes Mal an diesem Fest dabei, zuerst als Schwinger, seit 40 Jahren im OK, die letzten 23 Jahre als OK-Präsident. Die einzige Absenz war 1976: Er war damals ein junger Schwinger und absolvierte die RS. «Weil in unserer Truppe ein Hirnhautentzündungs-Fall aufgetreten war, durften wir an jenem Wochenende nicht heim», erzählt der Schangnauer. Auch wenn seither 47 Jahre vergangen sind, spürt man noch heute, wie gross seine Enttäuschung damals gewesen sein muss.
Die Ämter
Diesen Herbst hat Albrecht Siegenthaler zum letzten Mal als OK-Präsident des Kemmeriboden-Schwingets geamtet. Es sei ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören, sagt der 67-Jährige. «Wir haben im Klub motivierte Leute, das ist schön.» Wer von ihnen das OK-Präsidium übernehme, sei noch nicht definitiv bestimmt.
Der Klub – das ist der Schwingklub Siehen. Hier hat Siegenthaler eine Funktionärskarriere begonnen, die eindrücklich, wohl sogar einzigartig ist. «Als Aktiver war ich nicht besonders erfolgreich. Aber ich habe die Schwingtechnik in den Trainings gut gekopft», erzählt er. So wurde er irgendwann angefragt, Jungschwingerleiter und technischer Leiter im Schwingklub Siehen zu werden. Bald sagte er zudem als Vizepräsident und später als Präsident zu.
Auch im Emmentalischen Schwingerverband übernahm Albrecht Siegenthaler diese und jene Aufgabe, war Kampfrichter, Jungschwingerleiter und Medienberichterstatter, um nur ein paar Beispiele zu nennen. «Warten Sie einen Augenblick», sagt er und nimmt eine handgeschriebene Liste mit seinen Ämtern hervor. Es sind zwei volle, dicht beschriebene Seiten. Auch im Bernisch-Kantonalen und im Eidgenössischen Schwingerverband übte er diverse Ämter aus, war unter anderem Archivar, OK-Mitglied und Berichterstatter. «Es gab eine Zeit, da hatte ich sieben Ämter gleichzeitig», berichtet er. Und Ja: Um das zu schaffen, brauche man eine verständnisvolle Frau und Familie.
Die Familie
Die Frau, Erna Siegenthaler, stammt ebenfalls aus einer Schwingerfamilie. Und die drei mittlerweile erwachsenen Kinder haben allesamt selbst geschwungen. Valeria (25) gewann sogar einen Kranz, der zuhause in Schangnau in der Stube hängt. Sina (23) hat bereits vor einigen Jahren aufgehört und setzt dafür aufs Snowboard: Sie geht im Boardercross-Weltcup an den Start und schaffte es 2022 an die Olympischen Spiele. Andri (20) musste aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend mit dem Schwingen aufhören, hat nun aber wieder mit dem Training begonnen.
Albrecht Siegenthaler selbst fehlten ein paar Zentimeter Grösse und ein paar Kilo Masse, um ein ganz böser Schwinger zu werden. Aber seine Motivation waren sowieso nicht Siege, sondern die Kameradschaft. Er habe dank dem Schwingen viele tolle Leute kennengelernt, Freunde fürs Leben gefunden, sagt er. «Das schätze ich sehr.» Das war auch der Hauptgrund, warum er stets Ja sagte, wenn er für ein Amt angefragt wurde.
Die Zukunft
Heute ist Albrecht Siegenthaler vierfaches Ehrenmitglied: beim Schwingklub Siehen wie auch beim Emmentalischen, Bernisch-Kantonalen und Eidgenössischen Schwingerverband. Die jeweiligen Auszeichnungen – eingerahmte Urkunden, ein geschnitztes Holzbrett, eine Wappenscheibe – hängen daheim im Eingang respektive im Wohnzimmer. Ebenfalls dort hängt ein Kranz mit Eichenlaub und rot-gelber Schleife. «Ich sage immer, ich sei der älteste Kranzgewinner», witzelt Siegenthaler. Den Kranz haben ihm seine Arbeitskolleginnen und -kollegen zur Pensionierung geschenkt. Auch im Beruf war er eine treue Seele: 46 Jahre arbeitete er als Briefträger bei der Post.
Nun ist Siegenthaler kürzer getreten, im Beruf wie als Schwingerfunktionär. Er ist keiner, der trotzdem noch überall mitreden will, keiner, der das Gefühl hat, es besser zu können als die Jungen. Im Gegenteil: «Ich respektiere die Menschen so, wie sie sind», sagt er. Wohl auch deshalb verstehe er sich mit allen gut.
Dem Schwingsport wird Albrecht Siegenthaler sowieso treu bleiben. Auch in Zukunft wird er jeweils am Dienstagabend in Bumbach das Training der Jungschwinger leiten. Bei Schwingfesten der Meitli und Frauen wird er weiterhin als Kampfrichter im Einsatz stehen. Und natürlich will er wenn immer möglich beim Kemmeriboden-Schwinget dabei sein. Als Helfer.