«Um in den Bundesrat zu kommen, musst du keine Granate sein»

«Um in den Bundesrat zu kommen, musst du keine Granate sein»
Daniel Schweizer und seine Romanfigur Beda Tobler trinken beidegerne Ostschweizer Bier und verbringen viel Zeit beim Fussballplatz. / Bild: Markus Zahno (maz)
Langnau: Über 30 Jahre arbeitete Daniel Schweizer im Bundeshaus. Nun hat er den Politroman «Die Wahl» geschrieben. Das Buch ist so unterhaltsam wie das Gespräch mit dem Autor.

Daniel Schweizer, sind Sie Fussballfan?

Ja, sehr! Als Jugendlicher habe ich selbst gespielt, in meiner Heimat bei Brühl St. Gallen. Heute bin ich aktiver Passivsportler, besuche jedes Heimspiel des FC Langnau. Es ist praktisch, dass ich gleich neben dem Fussballplatz wohne; dann kann ich heim, wenns mir verleidet.


Auch Beda Tobler, der Protagonist Ihres Romans, ist Fussballfan. Und er ist wie Sie Ostschweizer, lebt nun in Langnau und trinkt gerne Schützengarten-Bier. Ziemlich viele Änhlichkeiten.

Viel mehr als das, was Sie nun aufgezählt haben, haben wir aber hoffentlich nicht gemeinsam. Beda ist ja ein ziemlicher Kotzbrocken (lacht). Für den Roman habe ich die Realität mit Fiktion vermischt und – da ich bei den eidgenössischen Parlamentsdiensten gearbeitet habe – noch ein paar Einblicke in die politische Arbeit zu geben versucht.


Beda ist Nationalrat, ein Blender, der nun in den Bundesrat will. Stimmt es, was ein Zürcher PR-Guru mal gesagt hat: dass sich für eine Million sogar aus einem Kartoffelsack ein Bundesrat machen lässt?

Wenn Sie mich fragen, stimmt es je länger, je mehr. Es kommt regelmässig vor, dass nicht irgendwelche Granaten in den Bundesrat gewählt werden, sondern eher durchschnittliche Leute. Diese muss man dann vor der Wahl noch etwas aufmotzen, das übernehmen PR-Manager und die Medien. Ebenfalls wichtig für Politiker, die Karriere machen wollen: Immer zuerst abwarten und schauen, wie sich die Dinge entwickeln, bevor man sich positioniert.


Wie nahe am Geschehen waren Sie bei den Bundesratswahlen?

Wir waren unter anderem für die Übertragung der Livebilder und der Wahlresultate auf die Parlaments-Webseite verantwortlich.


In Ihrem Buch erkennt man, auch wenn sie erfundene Namen tragen, viele reale Politikerinnen und Poli­tiker wieder. Die meisten kommen ziemlich unsympathisch rüber.

Allfällige Ähnlichkeiten sind rein ­zufällig?... Nein, ernsthaft: Selbstverständlich gibt es die sympathischen Politiker ebenso wie die unsympathischen. Wir als Gesellschaft brauchen die Politik und die Menschen, die sich in Ämter wählen lassen. Ich habe Respekt vor ihnen. Und dass wir uns richtig verstehen: Ich habe meinen Job sehr gerne gemacht.


Haben Sie auch Freundschaften mit Politikern geknüpft?

Um ehrlich zu sein: Nein. So nahe dran war ich dann doch nicht. Wenn die Politikerinnen und Politiker direkt mit mir zu tun hatten, dann meistens, wenn auf der Parlaments-Webseite etwas nicht funktionierte. Da haben sich manche Ratsmitglieder ziemlich resolut beschwert. Zwei sind mir noch besonders in Erinnerung?…


Welche denn?

Ich werde mich hüten, Namen zu nennen.


Okay, Themenwechsel. Wie kamen Sie dazu, einen Roman zu schreiben?

Ich habe ursprünglich Buchhändler gelernt, lese viel und gerne. Früher habe ich immer gedacht, dass ich ­sicher nicht zu den Leuten gehören werde, die nach der Pensionierung das Gefühl haben, sie müssten jetzt ein Buch schreiben. Und jetzt habe ich genau das getan (lacht). Nun fragen Sie bestimmt als nächstes, woher der Sinneswandel komme.


Genau.

Es war so: Meine Frau machte Kurse im Romanschreiben und begann dann mit ihrem ersten Werk. Dieses ist übrigens kürzlich erschienen (Esther Gerber – «Nachtschwarz und Himmelblau», Anmerkung der Redaktion). Während sie daran schrieb, packte mich der Ehrgeiz, es ebenfalls mit einem Roman zu versuchen. So entstand die erste Seite von «Die Wahl». In der Folge liess ich das Projekt ein halbes Jahr ruhen, nahm es wieder hervor und schrieb es relativ zügig zu Ende.


Sie haben das Buch nicht mit dem Textroboter geschrieben? Schliesslich verfasst Ihre Romanfigur Tobler seine 1.-August-Reden mit ChatGPT?…

Nein, nein, stellen Sie sich vor! Aber Toblers 1.-August-Rede ist tatsächlich eins zu eins von ChatGPT übernommen. Ich habe gestaunt, wie gut diese Systeme mittlerweile sind. Die werden in unserem Alltag einiges verändern.


Das Ende Ihres Buches ist über­raschend – und es schreit nach einer Fortsetzung. Ist diese bereits geschrieben?

Die erste Seite, ja. Aber jetzt lasse ich das Ganze eine Zeitlang ruhen. Ich schaue mal, wie der erste Teil bei den Leuten ankommt und entscheide dann, ob es einen zweiten Teil gibt.


Vorher fahren Sie noch in die Ferien. Sie gehen nicht zufälligerweise ins Tannheimer Tal, in dem auch Beda Tobler seine Ferien verbringt?

Doch, selbstverständlich! Meine Frau und ich reisen jedes Jahr dorthin, unternehmen mit den Bikes auch gerne Touren ins Allgäu. Genau wie Beda Tobler. Wie gesagt: Alles ist nicht schlecht an ihm.

Zum Roman: «Die Wahl»

Nationalrat Beda Tobler aus Langnau hat in der Politik schon vieles erreicht. Doch er will mehr. Er will in den Bundesrat. Die Vorzeichen sind günstig, und nachdem Tobler seine grösste Widersacherin mit einer Intrige ausgeschaltet hat, scheint die Wahl Formsache. Doch über allem schwebt ein Damoklesschwert: Fussballfan Tobler hat sich von der Fifa an die WM nach Katar einladen lassen und als Gegenleistung in Bundesbern eine Traktandenliste manipuliert. Will er zum Bundesrat gewählt werden, sollte dies nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

«Die Wahl» von Daniel Schweizer, 146 Seiten, erschienen im Herrmann-Verlag Langnau. ISBN 978-3-907229-45-3. Erhältlich ab übermorgen Samstag, 16. September, für 22 Franken auf Emmentalshop.ch oder über den Buchhandel. Auch im Kindle- und Tolino-Format verfügbar.

Zur Person: Daniel Schweizer

Daniel Schweizer ist 68-jährig und wohnt in Langnau. Der gebürtige St. Galler absolvierte eine Buchhändlerlehre und arbeitete später über 30 Jahre bei den Parlamentsdiensten, der Stabsstelle der Bundesversammlung. Die letzten 20 Jahre war er Leiter des Ressorts Web und damit verantwortlich für die Webseite des Parlaments. Seit seiner Pensionierung berichtet er für die «Wochen-Zeitung» über das Emmental und Entlebuch.

14.09.2023 :: Markus Zahno (maz)